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Über 10.000 Isländer wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen

Flüchtlinge sind Humanressourcen, Erfahrungen und Fähigkeiten. Flüchtlinge sind unsere zukünftigen Eheleute, die besten Freunde, unsere nächsten Seelenverwandten, der Schlagzeuger in der Band unserer Kinder, unsere nächste Kollegin, Miss Iceland 2022, der Zimmermann, der endlich unser Bad repariert, der Koch in der Kantine, der Feuerwehrmann, der Hacker und die TV-Moderatorin. Menschen, denen wir niemals sagen können: „Euer Leben ist weniger wert als meines.„

Das schreibt Bryndís Björgvinsdóttir in der von ihr erstellten Veranstaltung auf Facebook. Sie bietet außerdem an, einer fünfköpfigen syrischen Familie die Flugtickets nach Island zu bezahlen und hat auch eine Bleibe für die fünf gefunden. Das Event heißt „Kæra Eygló Harðar - Sýrland kallar", was soviel bedeutet wie „Liebe Eygló Harðar - Syrien ruft". Eygló Harðardóttir ist die isländische Ministerin für Soziales und Wohnen. Die isländische Regierung hatte verkündet, dass sie dieses und nächstes Jahr fünfzig Asylsuchende aufnehmen werde. Dagegen protestierten schon nach kurzer Zeit viele Isländer. In einer Facebook-Gruppe fordern über 8.000 Menschen, nicht 50, sondern 5.000 Flüchtlinge aufzunehmen. In dem neuen Facebook-Event von Bryndís Björgvinsdóttir bieten viele Menschen Kleidung, Essen, Arbeit oder eine Unterkunft für Flüchtlinge.

Auch die Regierung prüft inzwischen, wie viele Flüchtlinge Island zusätzlich aufnehmen könnte. Sie hat angekündigt, einen Rat aus fünf Ministern zu gründen, der sich mit Flüchtlingen und Einwanderern beschäftigt. Druck kam dabei nicht nur von der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern auch von Politikern vieler Parteien, linken wie konservativen, wie die Reykjavík Grapevine berichtet. So haben die Links-Grünen die 50-Personen-Quote als „beschämend niedrig" bezeichnet. Auch die Strahlende Zukunft will, dass die Anzahl erhöht wird und die Piratenpartei will zudem die rechtliche Situation von Flüchtlingen verbessern. Elín Hirst von der regierenden Unabhängigkeitspartei glaubt, dass die Aufnahme von "zehnmal sovielen" Asylsuchenden nahe am Möglichen wäre.

Derweil hat der Stadtrat von Islands zweitgrößter Stadt, Akureyri, den Wunsch geäußert, allein fünfzig Flüchtlinge aufzunehmen, die derzeit in Camps in Griechenland oder der Türkei ausharren. Die Stadt hat gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht: Sie hat 2003 24 Asylsuchende aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen. Alle Familien, die damals kamen, leben noch immer in Akureyri und haben sich gut integriert.

Doch es gibt auch Kritik an der Aufnahme von mehr Flüchtlingen. So rechnet Vilhjálmur Bjarnason von der Unabhängigkeitpartei in einem Radiointerview vor, dass die Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen eine Billionen isländische Kronen kosten würde (6,9 Millionen Euro). Das entspräche der Summe für ein neues staatliches Krankenhaus führt der Interviewer weiter aus, einem Projekt, das seit Jahren diskutiert werde.

Die Nachrichtenseite Visír schreibt, dass Island jährlich 1.600 Flüchlinge aufnehmen müsste, um prozentual mit Schweden gleich zu ziehen. An Bryndís Facebook-Event „Kæra Eygló Harðar - Sýrland kallar" kann man noch zwei Tage lang teilnehmen, über 14.300 Teilnehmer hat es bereits.

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