Als Trauerrednerin hat Antonia Kreis schon viel Leid gesehen. Dennoch meint sie, es sei ein Glück, trauern zu können.
Von Stefan Schlögl
Einmal hat sie einen Teddybären verabschiedet. Der lag neben dem Verstorbenen im aufgebahrten Sarg in der Aussegnungshalle, während Antonia Kreis vor den versammelten Angehörigen das irdische Dasein des Verblichenen Revue passieren ließ.
Dazu gehörte auch jenes lebensgroße Plüschtier, das den allein lebenden, älteren Herrn in seinen letzten Jahren begleitet hatte. Gemeinsam waren beide in seiner kleinen Wohnung beim Nachtmahl gesessen, vor dem Fernseher, stumm hatte der Riesenteddy den Erzählungen des Mannes gelauscht. Bis sein Besitzer schließlich den letzten Atemzug tat - und sie beide starben. "Natürlich klingt das ein wenig obskur", sagt Antonia Kreis, "aber alle in der Familie wussten von dem Teddy, das war für sie völlig normal, also habe ich ihn auch in meiner Trauerrede erwähnt. Wegen dieser menschlichen Dinge, nicht wegen Großtaten bleibt ein Verstorbener bei seinen Nächsten in Erinnerung."
Es sind diese Lebensbilder, Ereignisse, Momente, die nicht zuletzt an Allerheiligen, wenn Hunderttausende auf die Friedhöfe strömen, in den Hinterbliebenen aufsteigen. Manche dieser Erinnerungen sind wärmend, manche bloß routinierte Selbstvergewisserung, jemanden überdauert zu haben, andere vermögen auch nach Jahren Wehmut und tiefen seelischen Schmerz auszulösen.
Trauer hat viele Gesichter, das weiß Antonia Kreis von Berufs wegen. 600 Abschiedsreden hielt die 45-jährige Salzburgerin bisher, begleitete entweder an der Seite eines katholischen Priesters den Begräbnisgottesdienst in der Kirche oder leitete die Trauerzeremonie auf einem der Friedhöfe in oder rings um die Landeshauptstadt. Sie ist, wenn man so will, beim Tod ziemlich beliebt, ihre Nekrologe sind in der Region gefragt. Die einzige Frau in dieser Branche ist sie in Salzburg ohnehin.
Drei- bis viermal pro Woche tritt sie hinters Pult und kleidet das biografische Vermächtnis eines Verstorbenen in Worte. Diese 15 bis 30 Minuten langen Nachrufe sind maßgeschneidert, das Ergebnis langer Gespräche mit den Angehörigen. Das mag ein Grund dafür sein, dass die Mutter dreier Kinder gut gebucht ist. "Ich mache Erinnerungsfeiern, bei denen nicht die Liturgie im Mittelpunkt steht, sondern die Hinterbliebenen sich persönlich angesprochen fühlen. Bei mir soll man sagen: Genauso war er. Das war eine schöne Leich'."
Ende der Leseprobe.