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Kandidat wie aus Teflon

Hält sich für schlau: US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Foto: dpa


Donald Trump bleibt für viele Menschen im US-Wahlkampf nach wie vor das große Rätsel. Dabei könnte das Rezept seines Erfolges vor allem daran liegen, dass er anfangs maßlos unterschätzt wurde. Als der Milliardär aus New York im Juni letzten Jahres seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl bekannt gab, da hielt es jeder für einen Witz. Als Trump im Vorwahlkampf in Umfragen deutlich vor seinen Konkurrenten lag, sprachen viele von einer Fiktion, die keinen Bestand im Wahlkampf haben würde. Nun, da es zwischen dem Präsidentschaftskandidaten Trump und seiner Gegenspielerin, der Demokraten Hillary Clinton, nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aussieht, reiben sich nicht Wenige verwundert die Augen. Dabei ist es gar nicht so verwunderlich, dass vor allem Journalisten, Intellektuelle und Politiker bei uns das „Phänomen T" nicht fassen können. Sie leben in bevorzugt hippen Stadtvierteln und sprechen fast ausschließlich nur mit Kollegen, Experten und Politikern.

In seinem Buch „Listen Liberal" spricht der Publizist Thomas Frank von der „Liberalen Klasse", die sich heute nicht mehr über Herkunft oder Besitz definiert, sondern durch Aufstieg, Fachwissen und Deutungshoheit. Die Klasse, so lästert der bekennende Linksliberale in seinem Buch, „weiß, was der Gesellschaft fehlt" und „was getan werden muss". Sie besitzt daher die „Macht vorzuschreiben", was richtig ist und was man eher verachten muss. Dabei setzen sie nicht auf einen Staatsapparat, sondern einzig und alleine auf den Medienbetrieb, der die Deutungshoheit vorgibt. Die Liberale Klasse, so Frank, arbeitet im „Weinberg des Zeitgeistes, pfropft Werte und Begriffe auf und schneidet andere zurück".


Trump ist in seinem Auftreten und mit dem was er sagt, eine Kampfansage an diese Klasse. Wo er auftritt, beleidigt, provoziert und diskriminiert er. Seine Auftritte sind eine große Selbstdarstellung, ein Spektakel - Trump gegen die Anderen. Es ist ein Spiel mit der Angst der Menschen und eine bewusste Aneinanderreihung von Tabubrüchen. Das kommt an und wirkt. Das weiß auch Trump: Das Land habe aufgrund seiner immensen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme keine Zeit für Political Correctness. Mit seinem Auftritt stößt er vielen Menschen vor den Kopf. Vor allem diejenigen, die gemeinhin zum Establishment gezählt werden: Politiker, Intellektuelle, Wissenschaftler und selbst hochrangige Vertreter der Republikaner. Bei seiner Anhängerschaft schadet ihm das nicht. Im Gegenteil, seine Inszenierung als Anti-Politiker machte ihn populär.


Seine Anhängerschaft setzt sich vor allem aus der weißen Mittel- und Unterschicht des Landes zusammen. Sie haben starke Verlustängste. Sie fühlen sich von den wirtschaftlichen Entwicklungen und der Politik abgehängt und sind auf der Suche nach Sündenböcken. Diese sind schnell gefunden: Das Establishment, die Eliten und die Einwanderer. Trump bedient diese Ressentiments fast meisterhaft, obwohl er selber immer wieder Brüche in seiner Argumentationskette aufweist.


So setzte er sich schon im Vorwahlkampf von den Steuervorstellungen seiner republikanischen Mitbewerber ab. Während diese sich für die Senkung des Steuersatzes für Vermögende und Bezieher von hohen Einkommen oder für einen Einheitssteuersatz aussprachen, sprach Trump von einer Vereinfachung der Steuern. Die Mittelschicht möchte er entlasten, während er sich für eine Steuererhöhung bei den Reichen, einschließlich ihm selbst aussprach. Weiter, so versprach er damals, wolle er Steuerflucht bekämpfen und Steuerschlupflöcher schließen. Das kam bei seiner Anhängerschaft an. Umso erstaunter müsste mancher nun darauf reagieren, was nach und nach über Trumps Steuerzahl-Verhalten an den Tag kommt. Nachdenklich hätte mancher schon werden müssen, dass Donald Trump sich, entgegen den allgemeinen Gepflogenheiten der Präsidentschaftskandidaten, bisher weigert, seine Steuererklärung zu veröffentlichen.


Im ersten TV-Duell mit seiner Kontrahentin Hillary Clinton schimpfte Trump noch, „das Amerika nach und nach ein Dritt-Welt-Land" werde. Er meinte die Aussage im Hinblick auf den aus seiner Sicht „katastrophalen Zustand" der Krankenhäuser, Straßen, Schulen und Flughäfen in den USA. Umso erstaunlicher ist es nun, dass Trump offenbar über 18 Jahre keine Steuern gezahlt haben könnte.



Nach diversen Pleiten seiner Casinos in Atlantic City im Jahr 1995 hatte Trump, das geht aus Auszügen seiner Steuererklärung hervor, die den Medien zugespielt wurde, einen Verlust in Höhe von 916 Millionen US-Dollar angemeldet. Offenbar hat er hier ein Steuerschlupfloch genutzt. „Das zeigt, wie schlau ich bin", war die Reaktion Trumps auf Anfragen auf dieses Verhalten.



Seiner Glaubwürdigkeit bei der arbeitenden Mittelschicht, denen er einen Neuanfang verspricht, hat das nicht erschüttert. Wie bei Teflon prallt alles an ihm ab. Überhaupt ist es erstaunlich, dass ein Mann zum Hoffnungsträger einer sich verraten fühlenden Schicht geworden ist, der immer wieder prahlt „Ich bin stinkreich!". Auch hier klaffen der Wunsch des Kandidaten und die Realität auseinander. Bei seiner Antrittsrede gab sich Trump sehr selbstbewusst. Allein Reichtum ist für Trump der Indikator für Erfolg. „Ich habe ein Nettovermögen von mehr als zehn Milliarden Dollar", tönte er deshalb. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes" hingegen geht von vier Milliarden US-Dollar aus. Der Finanzbericht, den Trump als Präsidentschaftskandidat veröffentlichen musste, bestätigt „nur" ein Vermögen von rund 1,5 Milliarden Dollar.


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