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Montagsgedanken: Schwerin hat einen neuen Oberbürgermeister - Schwerin-Lokal

Rico Badenschier im Gespräch

Gestern Abend wurde ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Mit Rico Badenschier hat die Wahl ein Kandidat gewonnen, der Menschen mitnehmen kann.Trotzdem bleiben die Handlungsspielräume gering.

Als die SPD im Juli des letzten Jahres bekannt gab, dass für sie Dr. Rico Badenschier als Oberbürgermeister kandidieren wird, da schienen die Verhältnisse in Schwerin noch einigermaßen klar zu sein. Die amtierende Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (DIE LINKE) hat die allerbesten Chancen auf die Wiederwahl. Hörte man sich damals in der Stadt um, dann hätte kaum jemand in Zweifel gezogen, dass auch die neue Oberbürgermeisterin im Jahr 2016 Angelika Gramkow heißen wird.


Im Grunde genommen galt jeder Kandidat gegen Gramkow mehr als Zählkandidat als dass man ihm eine ernsthafte Chance bei der Bewerbung auf den Chefsessel im Stadthaus einräumte. Daher hatten sich alle Parteien in der Stadt, außer die LINKE, auch reichlich schwer damit getan, überhaupt Bewerber zu finden.


Monate vor der Nominierung Badenschiers, fiel sein Name immer wieder als möglicher Bewerber. Leicht hatte er sich die Entscheidung aber dann wohl doch nicht gemacht. Am Ende rang er sich, sehr zur Freude seiner Partei, dann doch durch und ließ sich aufstellen.


Handeln statt Reden

Zu Rico Badenschiers starken Eigenschaften gehört, dass er das macht, was viele Menschen heute so oft bei Politikern vermissen: Handeln statt Reden!

Über seine Hilfsbereitschaft können seine Kollegen in der Helios-Klinik viel erzählen. Badenschier hatte im Betriebsrat einen Extra-Bonus für Mitarbeiter ausgehandelt, die aus der Rufbereitschaft zum Dienst erscheinen mussten. Viele Menschen dankten es dem Radiologen, in dem sie ihn 2014 in die Schweriner Stadtvertretung wählten. So einem, das hörte man immer wieder, kann man vertrauen.


Im Streit um die Ladenöffnungszeiten im Rockpalast, drohte Ende 2014 dem Wirt Heiko Steinmüller das finanzielle Aus. Die Stadtverwaltung verlangte die Einreichung eines weiteren Gutachtens, dass dem Wirt Geld kostete, was er einfach nicht mehr hatte. Steinmüller startete damals eine Spendenaktion, mit der er das Geld zusammenbringen wollte. Einer seiner Spender hieß Rico Badenschier. Noch heute erzählt der Rockpalast-Wirt, dass ihn die ansehnliche Spende damals verwunderte. „Ich konnte mit dem Namen damals überhaupt nichts anfangen", gesteht Steinmüller. Erst sehr viel später erfuhr er, wer ihm da unter die Arme gegriffen hat. Vor wenigen Wochen, lud er daher den damaligen OB-Kandidaten in den Rockpalast ein.


Den Menschen zuhören

Wer Rico Badenschier im Wahlkampf erlebt hat, der begegnete einem eher zurückhaltenden Menschen. Einem Menschen, der sich - ungewöhnlich für einen Politiker - nicht in den Vordergrund rückt. Er hört den Menschen zu. Vielleicht ist die größte Stärke des neuen Oberbürgermeisters, dass er genau das nicht verkörpert, was Politikern immer wieder anhängt: Badenschier wirkt nicht profilierungssüchtig. „Er ist Mensch geblieben", das konnte man während des Wahlkampfes immer wieder hören. Genau das ist vermutlich sein Erfolgsrezept.


Angelika Gramkow machte ihren Job gut

Dass sich der politische eher als „Nobody" anzusehende Rico Badenschier gestern Abend so deutlich gegen die Amtsinhaberin Angelika Gramkow durchsetzen konnte, überraschte dann doch. Zwar wuchs in den letzten Monaten zunehmend die Unzufriedenheit mit der Amtsinhaberin, eine übergroße Abwahlstimmung gab es aber nicht.

Vor allem das mehr als ungeschickte Agieren der Stadtverwaltung im Zusammenhang mit den Mißbräuchen im Verein „Power for Kids", wurde Angelika Gramkow angelastet. Als dann auch noch vor 14 Tagen der Vorsitzende des Jugendhilfausschuss, Peter Brill, es ablehnte von seinem Amt zurückzutreten, da geriet die Oberbürgermeisterin weiter unter Druck. Brill galt allgemein als enger Vertraute von Angelika Gramkow, und so fiel die Weigerung Brills auf die Oberbürgermeisterin zurück.


Blickt man auf die acht Jahre Amtszeit von Angelika Gramkow zurück, dann muss man der Verwaltungschefin attestieren, dass sie ihren Job gut gemacht hat. Die Landeshauptstadt entwickelte sich in den letzten Jahren gut und Zuzüge führten dazu, dass auch die Einwohnerzahl wieder nach oben gegangen ist. Ende 2015 wohnten 96.800 Schwerinerinnen und Schweriner in der Landeshauptstadt. Noch 2012 waren es lediglich 91.264 Einwohner.


Wenig Handlungsspielräume für den neuen OB

Trotzdem war der überwiegende Teil der Schwerinerinnen und Schweriner der Auffassung, dass es einen Neubeginn geben muss. Badenschier versprach daher gestern Abend im Interview mit dem NDR, er wolle sein Amt „besonnen, gerecht und familienfreundlich führen". „Ich bin überwältigt von dem Vertrauensvorschuss der Schweriner, dem will ich gerecht werden", so der neue Oberbürgermeister weiter. Dabei hat er allerdings wenig Handlungsspielräume.


Aufgrund der finanziellen Haushaltslage sind der Landeshauptstadt Daumenschrauben angelegt. Sehr viel Bewegungsfreiheit bleibt daher auch für den neuen Oberbürgermeister nicht. Weiter steigende Jugendhilfe- und Sozialausgaben überfordern die finanzielle Leistungsfähigkeit Schwerins zunehmend. Die Personalkosten steigen trotz Stellenabbau weiter. Neben den Dienstbezügen der Beschäftigten und Beamten, sind es die Vorsorge für Zukunftslasten wie die Rückstellungen für Altersteilzeit, Pensionen, Beihilfen und Versorgungsumlagen, die der Stadt schwer zu schaffen machen. Nur wenige Investitionen konnten in der Vergangenheit getätigt werden und eine Verbesserung ist nicht zu sehen.

Es sind also nicht wenige Probleme, die Rico Badenschier als neuer Oberbürgermeister übernimmt. Ob er sie alle wird lösen können, das kann man eigentlich nicht wirklich erwarten. Die Aufgabe von Rico Badenschier wird daher darin liegen, für die Stadtentwicklung die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Hier wird er sich in den kommenden Jahren beweisen müssen.

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