Im Rahmen des Auswärtsspiels von Borussia Dortmund beim FC Bayern München besuchten Fans der Schwarz-Gelben die KZ-Gedenkstätte Dachau.
BERICHT
Von Stefan Döring
"Tragt das, was ihr hier heute an Eindrücken gewonnen habt, mit hinaus und auch mit ins Stadion. Seid laut und zeigt, dass ihr keinen Bock auf Rassisten habt", sagte Daniel Lörcher, Fanbeauftrager von Borussia Dortmund am Ende eines besonderen, aber vor allem bedrückenden Tages für 50 BVB-Fans. Einen Tag nach dem Auswärtsspiel beim FC Bayern München fuhr eine Gruppe von 50 Dortmundern auf dem Rückweg von München in die KZ-Gedenkstätte Dachau - dieser Tag sollte allen Beteiligten unter die Haut gehen.
Regelmäßig organisiert der Verein Fahrten in die Gedenkstätten, um den jungen Fans zu zeigen, welche Verantwortung sie haben. Leider zu häufig fallen Neo-Nazis in den deutschen Fankurven negativ auf, vor allem Borussia Dortmund wird ein hoher Prozentsatz auf der Südtribüne nachgesagt. Der großen Verantwortung ist sich der Verein bewusst und zeigt mit diversen Aktionen Rassismus die Rote Karte.
Als die Fans am Morgen durch das Tor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" traten, erstreckte sich ein riesiges Gelände mit Gefängnisbaracken, Appellplatz, Krematorium und dem Wirtschaftsgebäude, in dem heute das Museum der Gedenkstätte untergebracht ist. Dort wurde die Gruppe bereits von Max Mannheimer erwartet, der den BVB-Fans zunächst zum Sieg gegen den FC Bayern gratulierte. Gut zwei Stunden erzählte er anschließend seine bewegende Geschichte von Deportation, unendlichem Leid und Hoffnung. Alle im Raum lauschten gebannt seinen Erzählungen, mit denen er auf seine ganz eigene Art das Leid von Millionen Menschen während der Nazi-Diktatur begreifbar machte. "Ihr tragt nicht die Verantwortung für das, was geschehen ist, wohl aber dafür, dass es nicht wieder geschieht", war sein Appell an die Fans aus allen Schichten der Dortmunder Fan-Szene.
Max Mannheimer wurde 1945 von den Alliierten in Dachau befreit. Zuvor musste er jahrelang Leid und Arbeitslager in Auschwitz-Birkenau, Theresienstadt, Warschau und Dachau ertragen. Der Mann, der seine Eltern und Geschwister durch die Nazis verloren hat, erzählte beeindruckend ehrlich und unaufgeregt von dieser Zeit. Trotz der schwierigen Materie hatte er immer wieder einen flotten Spruch auf Lager, der die Stimmung auflockerte. Dadurch wirkte das Erzählte noch viel lebendiger und man konnte sich nahezu ihn den 94-Jährigen hineinversetzen, der sich zum Ende als Liebhaber von "Krimis, Frauen und Fußball" outete.
Die Eindrücke, die Mannheimer verbal vermittelte, wurden anschließend durch eine Führung über das Gelände veranschaulicht. Die Gruppe ging den typischen Weg eines Häftlings nach. Bei ihrer Ankunft mussten die Häftlinge ihre Kleidung ablegen, wurden rasiert und nackt und völlig gedemütigt ihres Namens beraubt. Der Pass musste abgegeben werden, dafür bekam jeder Inhaftierte nur eine austauschbare Nummer zugeteilt, die auf die Häftlingskleidung aufgenäht werden musste. Menschen wie Max Mannheimer, der in Auschwitz inhaftierte wurde, tragen diese Nummer noch heute eintätowiert auf dem Unterarm. Mit dieser unfassbaren Tortur und Demütigung begann für die Häftlinge die Leidenszeit im Arbeitslager, wo sie nie ausreichend zu essen bekamen und mindestens 12 Stunden jeden Tag zum Arbeitseinsatz gezwungen wurden. Wer es nicht schaffte, wurde bestraft oder getötet.
Besonders beeindruckend war für die BVB-Fans der Gang durch das Krematorium. Hier, wo das Nazi-Regime die Tötungsanlage für die Vernichtungslager konzipierte, wurden viele Menschen kaltblütig ermordet. Mit der Aussicht auf eine Dusche wurden die Menschen in einen Raum gezwängt und vergast. Nur eine Tür weiter wurden ihre Leichen verbrannt. Die Fans bekamen einen Eindruck von der unvorstellbaren Angst und Willkür, die in dem Konzentrationslager herrschte.
Hinzu kamen die unmenschlichen Zustände in den Baracken, wo bis zu 2000 Menschen eingepfercht wurden - auf einem Raum, der eigentlich nur für 200 Häftlinge ausgelegt war. Selbst ein Umdrehen im Bett war nicht mehr möglich, zu eng lagen die Menschen nebeneinander. Da wirkt es schon zynisch, dass an diesem Sonntag die Sonne und der blaue Himmel über dem Gelände strahlten, wo zwischen 1938 und 1945 41.500 Menschen ihr Leben lassen mussten.
Umso wichtiger ist es heute, dass auch die Vereine ihre Verantwortung erkennen. Die BVB-Fanbetreuung, das Fanprojekt Dortmund und die BVB | Fan- und Förderabteilung, die diese Fahrt gemeinsam organisierten, wissen um ihre Verantwortung und zeigen den Fans somit auf, dass diese Geschichte sich nicht wiederholen darf. "Nie wieder", lautet das Motto, das auch mit ins Stadion getragen werden soll, wie Daniel Lörcher am Ende des bewegenden Tages ausdrücklich klarstellte. "Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen", heißt es in einem Fansong. Dieses Motto soll auch auf den Tribünen leben. Kick racism out - Kein Bock auf Nazis!