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Wiener Salafisten-Treffen: Provokation als Taktik

Bei der Zusammenkunft radikaler Muslime am Wochenende ging es nur vordergründig ums Spendensammeln für Syrien

Wien - Ein Polizist bedrängt einen jungen bärtigen Mann, die Stimmung ist aufgeheizt. Diese Szene ist in einem Video, das am Samstag am Rande eines Salafisten-Treffens in Wien-Favoriten aufgenommen wurde, zu sehen. Seither kursiert der Film in einschlägigen Facebook-Gruppen.

Es ist genau das, was die Veranstalter der geplanten Syrien-Spendensammlung im Sinn hatten, als sie die Ankündigungen für das Treffen verbreiteten: ein junger Muslim, der dem übermächtig scheinenden Staatsapparat gegenübersteht. Dieses Bild steht für die Stimmung vieler junger Muslime. Staat, Medien und Gesellschaft sind gegen sie, gegen den Islam. Alles, was dieses Narrativ stärkt, ist für die Köpfe hinter dem Treffen, die eine ultrakonservative Interpretation des Islam vertreten, willkommen.

Die Taktik ist nicht neu. Die Prediger, die am Wochenende in Wien auftraten, stehen alle in Verbindung mit dem Netzwerk "Die Wahre Religion". Es ist die gleiche Gruppe, die auch federführend hinter den Gratis-Koranverteilaktionen steht. Die Reaktionen in Deutschland darauf waren exemplarisch: Politiker forderten Verbote, riefen nach Polizei und noch strengeren Gesetzen.

Die Folge waren Berichte in den Medien, Demonstrationen und Debatten - die Neugierde von vielen Jugendlichen war geweckt. Die Berichterstattung ist Teil des Konzepts. Jeder Artikel, jeder Fernsehbeitrag - auch jene über das Treffen in Wien - wird akribisch gesammelt und verbreitet. "Wenn Medien diese Botschaften aufgreifen, transportieren sie natürlich auch diese Propaganda. Deswegen ist die Berichterstattung darüber ein zweischneidiges Schwert", sagte unlängst Claudia Dantschke von Zentrum Demokratische Kultur in Berlin in einem Interview mit derStandard.at. Das neue Steckenpferd der deutschsprachigen Jihad-Propaganda ist nun eben Syrien. Ob das am Wochenende gesammelte Geld tatsächlich notleidenden Syrern oder jihadistischen Gruppen zugutekommt, ist unklar.

Es sind vorwiegend Jugendliche, die zu diesen Veranstaltungen kommen. Viele haben das Gefühl, nicht Teil dieser Gesellschaft zu sein oder diskriminiert zu werden. Die Salafisten von Gruppen wie der "Wahren Religion" setzen genau dort an. Sie warten nicht, bis die Jugendlichen zu ihnen kommen, sondern sind dort präsent, wo ihre Klientel ist: auf Facebook, Youtube und in Onlineforen.

Die Reaktion der Öffentlichkeit hingegen ist immer die Gleiche: Der Ruf nach der Staatsmacht und neuen Verboten. "Es müsste aber viel mehr im Bereich der Zivilgesellschaft, vor allem in der Jugendarbeit, gemacht werden", meint Dantschke. Wie solche Angebote aussehen könnten, macht ausgerechnet eine Salafisten-Moschee in der Leopoldstadt vor: Dort gibt es nicht nur Predigten, sondern auch Taekwondo-Kurse. ( Stefan Binder, DER STANDARD, 15.10.2013)

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