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"Scheiß Sorben", brüllen sie

Solche Schmierereien tauchten in der Lausitz in den vergangenen Jahren öfter auf. © DOMOWINA

Wenn Mikławš feiern geht, dann ins DiscoLand Schönau, das tagsüber einfach Gasthaus heißt und nicht weit von Bautzen entfernt liegt. Mikławš ist 17 Jahre alt und macht eine Lehre zum Dachdecker. Seinen Nachnamen und Wohnort will er nicht sagen, aus Angst. Es gibt ein Foto von seinem Gesicht, es zeigt ihn nach einem Besuch im Disco-Land: Dort, wo ihn eine Faust traf, unter dem linken Auge, ist ein Bluterguss zu sehen; die Unterlippe ist geschwollen. Mikławš hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Die Täter, die ihn an jenem 5. Oktober 2018 beleidigt und geschlagen haben, hätten ihn angegriffen, weil er Sorbe sei, sagt Mikławš.

Er habe der Polizei zu Protokoll gegeben, was passiert sei an jenem Abend im Disco-Land, am Rande einer Party, die von Schülern des Sorbischen Gymnasiums Bautzen organisiert war: Wie er aus der Raucherlounge zurück in den Saal gekommen sei und ihm sofort die zehn bis fünfzehn Männer in schwarzen Klamotten aufgefallen seien. Sie hätten sich strategisch im Raum verteilt, man habe ihnen förmlich in die Arme laufen müssen, erklärte Mikławš der Polizei. Scheiß Sorben!, hätten die Angreifer gebrüllt. Scheiß Nazis, habe er entgegnet. Die erste Faust sei direkt in seine linke Gesichtshälfte gegangen. Er sei raus in den Hof, aber da hätten weitere Schwarzgekleidete schon auf ihn gewartet, ihn geschubst und gedrängt. "Ich bin auf die Toilette gerannt und habe versucht, meine Geschwister zu erreichen, damit sie mich abholen", sagt Mikławš. "Dann haben die Nazis die Tür aufgebrochen und mir ins Gesicht geschlagen." Auch andere Zeugen stützen Mikławš' Geschichte.

Die Sorben, eine slawische Minderheit in der Lausitz, machen knapp ein Prozent der Gesamtbevölkerung in Sachsen und Brandenburg aus. Die Volksgruppe ließ sich vor 1400 Jahren in dieser Gegend nieder, lange vor den Sachsen. Dass Menschen vor allem im sächsischen Teil der nun körperlich angegriffen werden, weil sie Sorben sind? Das ist ein neues Phänomen. Seit vier Jahren tauchen solche Fälle in der Polizeistatistik auf. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Vorfällen, etwa ein Dutzend ist allein dem Landeskriminalamt Sachsen bekannt. Fragt man diejenigen, die vor Ort sind, die selbst Sorben sind oder sich für sie einsetzen, dann hört man: große Besorgnis. Denn die Attacken würden brutaler. Und gezielter.

Dawid Statnik spricht sogar von "organisiertem Verbrechen", das es seiner Ansicht nach in der Oberlausitz gebe und das sich gegen Sorben richte; vor allem im katholischen Städtedreieck Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda, wo etwa 70 Prozent der sorbischen Minderheit leben. Statnik, 35, ist seit 2011 Vorsitzender des sorbischen Dachverbands Domowina. "Es wird regelmäßig Stunk gesucht, das gab es schon immer, auch zu meiner Jugendzeit", sagt er. Mit "Stunk" meint er: Deutsche Jugendliche provozieren sorbische (wobei natürlich auch sorbische Jugendliche Deutsche sind). "Fakt ist aber", sagt Statnik: "Seit 2014 haben die Angriffe eine andere Qualität." Für ihn sehe das nach konzertierten Aktionen aus.

Sorbenfeindlich motivierte Straftaten, wie das die Polizei nennt, gab es schon immer. Hauptsächlich Sachbeschädigungen: Wegkreuze und Kruzifixe der katholischen Sorben werden zerstört, die zweisprachigen Ortsschilder beschmiert. Wände und Brückengeländer mit Aufschriften bemalt wie "Sorben raus" oder "Hooligans gegen Sorben". Auch antisorbische Sprüche bei Fußballspielen gehörten seit vielen Jahren zum Alltag, sagen Experten.

Dann, vor vier Jahren, begannen aber die gezielten Angriffe. Die Täter fuhren zu ausgewählten Veranstaltungen, tauchten meist schwarz gekleidet, teils maskiert in verschiedenen Ortschaften auf und attackierten, bedrohten, beschimpften sorbische Jugendliche. Sie hörten erst hin, wer Sorbisch spricht, bevor sie angriffen und mehrfach Menschen zusammenschlugen. Einer der schlimmsten ihm bekannten Fälle, erklärt Statnik, sei einer gewesen, bei dem Täter mit Sturmmasken sorbische Jugendliche bis an ihre Autos verfolgten. "Da bekommt man doch Angst", sagt er.

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