Es gab eine Zeit, in der Michael Ballweg sich wegen Corona sorgte. Noch am 20. März 2020 teilte er ein Video der Freiburger auf Twitter, in dem ein Polizist eindringlich vor Treffen von zu großen Gruppen warnt: "Jede dieser Zusammenkünfte ist gefährlich für euch." Das Video ist mit dem Hashtag "wirbleibenzuhause" versehen.
Schon wenige Wochen später schienen diese Sorgen verflogen zu sein: Mitte April veranstaltete Ballweg die erste Querdenken-Demo in Stuttgart. An diesem Tag versammelten sich rund fünfzig Teilnehmer - vier Monate später waren es Zehntausende, die seinem Ruf nach folgten und gegen die Corona-Maßnahmen protestierten.
Viele der Demonstranten, die am 29. August durch Berlin zogen, waren friedlich. Aber genauso waren unter ihnen auch Reichsbürger, die vor der US-Botschaft für die "Unabhängigkeit Deutschlands" protestierten, und Rechtsextreme, die auf die Treppen des Reichstages stürmten. Und Verschwörungstheoretiker, die die Existenz von Corona anzweifeln und Impfungen für einen Manipulationsversuch der Regierung halten. Das alles wirft eine Frage auf: Wo genau steht eigentlich der Mann, der diese Menschen zusammengebracht hat?
Vor seiner Karriere als Veranstalter von Demonstrationen war Ballweg "ein unpolitischer Mensch", das behauptet er selbst in einem Interview auf YouTube. Inzwischen hat er diese Zeit der politischen Ambitionslosigkeit jedoch offenkundig hinter sich gelassen. Denn Ballweg organisiert nicht nur Demonstrationen, sondern kandidiert auch für das Amt des Oberbürgermeisters in . Und in seiner Rede in Berlin am 29. August rief er gar eine "verfassungsgebende Versammlung" aus, die vierzehn Tage in Berlin campen und an einem Ersatz für das Grundgesetz arbeiten sollte. So weit kam es nicht. Wegen Corona wurde das Camp vorzeitig aufgelöst.
Verschwiegene Begegnung am AbendBallweg wurde schon häufig vorgeworfen, dass er sich in seinem politischen Aktionismus nicht klar von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern abgrenze. Er hat diese Vorwürfe stets zurückgewiesen und mehrfach betont, dass weder links- noch rechtsextreme Ideologien in die Querdenken-Bewegung gehörten. Trotzdem hat sich Ballweg immer wieder mit Personen umgeben, die sich am Rande des politischen Spektrums bewegen. Dazu gehört zum Beispiel Nikolai Nerling, ein rechtsextremer Videoblogger, der unter dem Namen Der Volkslehrer auftritt und im letzten Jahr wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.
Er und Ballweg hätten sich mehrfach auf Demonstrationen getroffen und unterhalten, erzählt Nerling im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Inzwischen hat sich Ballweg in einem Video von Nerling distanziert. Zuvor aber gab es offenbar mehr Nähe, als Ballweg heute zugeben mag: In einer Rede bei der Demonstration in Berlin erzählte Nikolai Nerling, dass er und Ballweg zusammen "schön grillen" gewesen seien.
Das Ganze sei ein Abend mit mehreren Gästen gewesen, darunter eben auch er und Ballweg, erklärt Nerling. Man habe geplaudert, die Demonstration in Berlin sei ein Thema unter mehreren gewesen. An die Öffentlichkeit gelangen sollte die vertrauliche Zusammenkunft allerdings nicht: "Das Treffen war natürlich verschwiegen", sagt Nerling gegenüber ZEIT ONLINE.
Michael Ballweg will sich zu dem Abend offenbar nicht äußern. Auf eine Anfrage von ZEIT ONLINE antwortete er lediglich mit Links zu Artikeln, nach denen der Verfassungsschutz die Querdenken-Bewegung als unbedenklich einstufe.