Während anderswo der Nationalismus blüht und Handelsstreitigkeiten lodern, schließt Vietnam fleißig Freihandelsabkommen ab – und profitiert so von der Suche nach Alternativen zu China.
Nguyen Chi Dung schüttelt immer weiter Hände. Gerade hat der vietnamesische Minister für Planung und Investitionen durch eine Seitentür einen Festsaal seines Ministeriums in Hanoi betreten. Der Raum strahlt höchste sozialistische Förmlichkeit aus: die Wände holzvertäfelt, der Boden blank poliert. Vor einer Bühne hängt ein schwerer Samtvorhang, „Hoch lebe die Kommunistische Partei Vietnams" steht auf einem Schild darüber.
Statt seinen deutschen Kollegen, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), zu begrüßen und dann sofort seinen Platz einzunehmen, wie es bei einem solchen Treffen üblich wäre, geht Nguyen die ganze Tischreihe entlang und drückt zunächst jedem einzelnen der mit Altmaier nach Vietnam gereisten Unternehmensvertreter die Hand.
Die Verbindlichkeit des Ministers beim Treffen Ende März hat äußerst marktwirtschaftliche Gründe: Er erhofft sich weitere deutsche Investitionen für sein Land. Zwar hat sich zwischen 2012 und 2017 die Summe, die ausländische Geldgeber in Vietnam investierten, von gut 16 auf knapp 36 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Investoren aus der Bundesrepublik stehen aber am unteren Ende der Liste – und geht es nach Nguyen, darf sich das gerne ändern.
Dabei helfen soll auch ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union. Verhandelt ist es, nun warten die Vietnamesen, dass der Vertrag in Kraft tritt. Die Verzögerung, entschuldigt Altmaier, liege am Brexit: Die Sprachjuristen der EU, die das Abkommen übertragen müssen, seien ausgelastet. Er wolle sich aber dafür einsetzen, dass der Vertrag möglichst bald „ratifiziert und unterzeichnet wird“. Für Vietnam wäre es der nächste Schritt auf dem Weg in die Gemeinschaft des Welthandels. Während anderswo der Nationalismus neu erblüht und Handelskonflikte auflodern – etwa zwischen Amerika und der EU oder China –, hat es Vietnam verstanden, sich aus diesen Streitigkeiten herauszuhalten – und davon sogar kräftig zu profitieren. Trotz der engen Bindungen gen Peking. (...)
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