Was bedeutet es, Machi zu sein?
Machi zu sein ist eine Gabe. Es ist keine Rolle, die man sich aussucht oder zu der man gewählt wird, sondern man wird als Machi geboren. Das bedeutet eine große Verantwortung. Die Machi Francisca hat nicht nur ein breites Wissen über Heilpflanzen und ihre Anwendung, sondern sie leitet auch spirituelle Zeremonien in ihrer Gemeinde. Sie hat eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft und erhält viel Respekt, weil sie Heilerin ist und weil sie sehr weise ist. In unserer Kultur sagen wir "kimche" zu den Menschen, die das Wissen und die Weisheiten von den Ahnen sammeln und weitergeben.
Die Machi Francisca hat im Jahr 2008 einen Gerichtsprozess gegen ein großes Unternehmen gewonnen, indem sie sich auf die UN-Konvention über die Rechte von indigenen Völkern berief. Welche Bedeutung hat das für das Mapuche-Volk?
Damit wurde der Grundstein für die Verfolgung der Machi gelegt. Ich möchte es deutlich hervorheben, dass der Fall der Machi Francisca ein Beispiel ist für die konstante Verfolgung des chilenischen Staates von Autoritäten und Aktivisten des Mapuche-Volkes. Die Machi zeigte im Jahr 2008 Alejandro Taladriz an, den Besitzer der Firma Palermo Limitada. Taladriz ist sozusagen der Nachbar der Machi Francisca; sein Grundstück ist direkt nebenan. Die Machi beschützt die Pflanzen und Wälder, da sie ihre Lebens- und Arbeitsgrundlage sind.
Als sie sah, dass die Firma den Wald abholzte, in welchem die Heilkräuter ("lawen") wachsen, die sie für ihre Arbeit als Machi braucht, ging sie vor Gericht und berief sich auf die UN-Konvention für den Schutz indigener Völker und gewann den Prozess gegen Palermo Limitada. Seit diesem Moment repräsentiert sie für den Staat und für die Unternehmen eine Gefahr, eine Bedrohung. Die Machi ist ein Präzedenzfall, denn sie ist die erste Frau und die erste Person überhaupt, die einen Gerichtsprozess gegen ein Unternehmen gewann und so einen heiligen Ort beschützen konnte.
In welchem Zustand befindet sich die Machi Francisca?
Es ist sehr traurig für mich, über ihren Zustand zu sprechen. Körperlich ist sie sehr geschädigt, sie wiegt im Moment 44 Kilo. Sie kann kaum etwas essen, weil ihr Magen nicht mehr mitmacht. Abgesehen von ihren körperlichen Krankheiten, befindet sie sich in einem sehr schlechten spirituellen Zustand, da sie zu lange Zeit von ihrem Territorium, von ihrem "rewe" getrennt gewesen ist. Außerdem konnte sie an einer Zeremonie nicht teilnehmen, die sehr wichtig für die Machi ist. Alle vier Jahre gibt es eine Zeremonie, um die Energie zu erneuern. Dieses Jahr konnte die Machi Francisca nicht an der Zeremonie teilnehmen, denn sie war im April. Deshalb wird sie immer schwächer und sie selbst sagt, dass ihre Kräfte und Energien schwinden. Es geht hier nicht nur um ihre körperliche Gesundheit, sondern um ihren spirituellen Zustand, der Auswirkungen auf ihren Körper hat.
Warum wurden die Machi Francisca und die zehn weiteren Mapuche verhaftet?
Sie wurden verhaftet, weil sie alle führende Positionen in ihren Gemeinden einnehmen. Die Machi ist eine Gefahr für die Regierung, weil sie sich auflehnt, weil sie Forderungen stellt und weil sie ein Unternehmen und den Staat verklagt hat. Im Jahr 2013 wurde sie freigelassen, weil es keine Beweise gegen sie gab. Sie verklagte daraufhin den chilenischen Staat wegen der körperlichen und religiösen Schädigung ihrer Person und der Missachtung ihrer Stellung als Machi. Und sie gewann. Im März dieses Jahres, drei Jahre nach dem Brand, wurde sie erneut verhaftet, weil es angeblich neue Beweise gibt. Aber die Beweislage ist sehr schwach.
Unter normalen Umständen wäre die Machi zu Hause und würde dort auf das Urteil warten. Aber weil sie auf der Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes verhaftet wurde, welches ein rassistisches und parteiisches Gesetz ist, erhält sie keinen ordentlichen Gerichtsprozess und ist im Gefängnis. Sie wird so behandelt, als sei sie eine Gefahr für die Gesellschaft. Es handelt sich hier um eine große Ungerechtigkeit, da der chilenische Staat Mapuche verfolgt, die ihr Territorium verteidigen und vor Abholzung beschützen wollen und das ist ihr legitimes Recht.
Interview: Sophia Boddenberg Original