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Romantisierte Vergewaltigung

Till Lindemann.

Till Lindemann tut, was er immer tut: Provozieren, um ein Thema zu verarbeiten. Aber das ist bei sexuellem Missbrauch völlig fehl am Platz. Ein Kommentar.

Es ist schon immer die Kunst der Band „Rammstein" und Sänger Till Lindemann gewesen, etwas Abartiges zu nehmen und es überzogen wohlwollend und blumig zu beschreiben, um so einen Bruch zu erzeugen.

Bestes Beispiel dafür ist das Lied „Mein Teil", über den sogenannten Kannibalen von Rothenburg. „Ist doch so gut gewürzt / Und so schön flambiert / Und so liebevoll / Auf Porzellan serviert / Dazu ein guter Wein / Und sanfter Kerzenschein / Ja, da lass ich mir Zeit / Etwas Kultur muss sein." Hier wird der festliche Verzehr von Menschenfleisch beschrieben. Durch die Darstellung eines feinen Dinners, bei dem wohlgemerkt der Penis des Opfers verspeist wird, wird die Absurdität und Falschheit der Situation klar.

Das gelingt im Gedicht „Wenn du schläfst" in Lindemanns Gedichtband, erschienen beim Kiwi-Verlag, aber nicht. Lindemann gibt lediglich eine realistische, detaillierte, lustvoll-beschönigende Beschreibung einer Vergewaltigung wieder. Es entsteht kein Bruch, kein Moment, in dem klar wird: Das hier ist falsch.

Schlimmer noch: Durch die lustvolle Beschreibung wird im sexuellen Kontext sogar eher noch ein Reiz geweckt. Was das Gedicht zu nicht mehr als einem weiteren frauenfeindlichen Text unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit macht.

Aber: Kunstfreiheit ist wichtig und darf nicht beschnitten werden. Sie existiert, um im künstlerischen Kontext auch hart formulierte Kritik möglich zu machen, um auf Missstände aufmerksam machen zu können. Weil gerade durch krasse Vergleiche und überzogene Formulierungen Aufmerksamkeit auf eine unhaltbare Situation gelenkt werden kann. Drastische Umstände brauchen drastische Worte. Ein Beispiel, das dies zeigt, ist eine Textzeile aus dem Song „Anti Alles Aktion" der Antilopen Gang, die eine Kritik an Pegida darstellt: „Da braucht man gar nicht drüber reden, wenn die Massen sich erheben, schmeiß ich aus dem Flugzeug eine Brandbombe auf Dresden."

Natürlich lässt das Raum für Kunst, die nicht systemkritisch ist, sich nicht gegen widerliche Gesinnungen richtet, sondern die widerliche Gesinnung sogar propagiert. Es sollte aber generell eher über eine bessere Gesetzeslage gegen volksverhetzende, rechtsextremistische und frauenfeindliche Inhalte gesprochen werden, als die Kunstfreiheit in Frage zu stellen.

Lindemann tut, was er immer tut: Provozieren, um so das Thema zu verarbeiten. Aber das ist bei sexuellem Missbrauch völlig fehl am Platz.

Vergewaltiger ziehen Macht und Lust aus dem Ausgeliefertsein des Opfers. Die Abartigkeit der Tat wird daher gerade nicht anhand einer beschönigten, liebevollen Beschreibung des wehrlosen Opfers aufgezeigt, sondern beschreibt nur die Gefühle des Vergewaltigers. Die Vergewaltigung wird in Lindemanns Gedicht somit romantisiert.

Das hätte dem Kiwi-Verlag auffallen müssen - und das Gedicht nicht veröffentlicht werden dürfen.

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