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Interview

Ebow: "Sie liken meinen Style und sie liken den Flow“

An dem Abend, als Ebru Düzgün alias Ebow im Foyer des Volkstheaters fulminant und ausdrucksvoll ihr Album „Komplexität“ releast, hätte man eigentlich nicht aus dem Haus gehen mögen. 

Das Wetter war gar zu grässlich. Auch wenn das Orkantief „Friederike“ zwar zugegebenermaßen andernorts weitaus Schlimmeres verursacht hat, als im beschaulichen München. Die Tagesschau verlautbarte deutschlandweit Sachschäden in Millionenhöhe, allerhand Verletzte und sogar Tote. 

Während eines verheerenden Sturms in den USA stellte auf Twitter unlängst einer die Frage „Why name hurricanes soft names like Jose?“ und gab den Ratschlag: „Name that shit Hurricane Death Megatron 300 and I guarantee everyone will evacuate immediately!“


Der Vorname Friederike verhält sich lautmalerisch ähnlich soft; aus dem Althochdeutschen stammend bedeutet er nichts harmloseres als „Friedensfürstin“. Das ist geradezu lachhaft, denn über wen auch immer der Wintersturm mit 130 Km/h hinwegfegte, Eisregen ins Gesicht prasste und den Paraplui wie eine ferngesteuerte Rakete aus der Hand katapultierte, der dachte sich zweifelsohne insgeheim, dass Frieden sich doch lieber anfühlen sollte wie Kaninchenfell, Aroma-Massagen oder ein Schaumbad.

Auch vermeintlich friedliche Themen, wie etwa Weiblichkeit per se, haben im vergangenen Jahr nicht nur durch die Ära Trump regelrecht einen scheiß Wirbelsturm (vgl. „Shitstorm“) erfahren. Man weiß grad gar nicht mehr, wie es alles begann, vor lauter Hashtags und Women Marches. Plötzlich standen alle Zeichen auf Sturm. „Nasty women“ wirbelten eine Menge Staub auf, thematisierten lautstark ihre vielgestaltigen Körper, ihre kolossalen Verletzungen, ihre fundamentalen Rechte, Wünsche, Perioden, Sehnsüchte, Busen, Schmerzen. 

Viel Wut wurde artikuliert und machte die Debatten zäh, aber sehr wichtig. Zugrunde liegt fast allen Diskussionen, dass die Auseinandersetzung mit den gender roles eigentlich nie schwarz-weiß ist, sondern ihr ziemlich komplexe Anliegen zueigen sind.


„Komplexität“ heißt auch das neue Album von Ebow also. Spätestens bei „Punani Power“ wird die Referenz hergestellt: „The word Punani in this song is not a way of hierarchizing genitalia, it should be seen as a word which describes Sister Power. It’s said that Punani comes from the Hawaiian word Puanani which means „beautiful flower“ which is the closes description for my intention.“


Ebru hat sich zu einem Interview bereit erklärt. 


Sonja: Ebow, teilst du die Aussage der diesjährigen Golden Globes-Aktion „Times Up“, dass die Zeit der mächtigen Männer abgelaufen ist, deren sexistisches Handeln keine Konsequenzen nach sich zieht? Dass ein heller Tag für Mädchen anbricht?


Ebow: Ich glaube auf jeden Fall, dass es jetzt mehr Aufmerksamkeit für das Thema gibt Aber wir leben trotzdem in einer Zeit, in der es keine wirkliche Sensibilität für sexuelle Belästigungen gibt. Ich hoffe jedoch, dass solche öffentlichen Debatten mehr betroffene Frauen dazu ermutigen, ihr Schweigen zu brechen. Generell gesehen: ja, die Zeit der mächtigen Männer neigt sich dem Ende zu, it‘s time for matriarchy! 


Sonja: Wie begegnest du Personen, die dich auf dein Dasein als Deutsch-Kurdin reduzieren? Hättest du lieber einen Ruf als rappende Architektin aus München?


Ebow: Ich hätte lieber den Ruf als Rapperin. Es ist sehr schade, dass meine Musik durch meinen Background so nebensächlich wird nur weil es eine gute Titelstory liefert.


Sonja: Was ist deine liebste Songtextzeile, die nicht von dir stammt?


Ebow: Uhh, das ist schwierig. 2pac: "It’s war on the streets and it’s war in the Middle East."


Sonja: Welches ist der Textauszug aus deiner Feder, der dir am meisten aus der Seele spricht?


Ebow: "Bin die Tochter einer Rebellin, Kind von einem Gangster."


Sonja: Zu dir werden häufig Parallelen zu M.I.A. gezogen. Why? Ist das gerechtfertigt? Hast du Vorbilder?


Ebow: M.I.A ist und war immer ein großes Vorbild. Ich glaube, dadurch dass es wenige Rapper*innen gibt, die bewusst politische Musik machen, liegt der Vergleich sehr nahe.


Sonja: Wieso bist du nach Wien gezogen? Erst zu Neujahr hat der Shitstorm über das erstgeborene Wiener Baby gezeigt, dass die Stadt nicht gerade verliebt ist in die Idee, von muslimischen Personen umgeben zu sein….


Ebow: Der Rechtsruck in Österreich ist stark spürbar. Aber genau dies führt dazu, dass die Stadt auch politisch aktiver ist. Es gibt eine starke und große Gegenbewegung! Auch dass  Hysteria aus Wien kommt spricht für das positive politische Bewusstsein der Stadt. Man kann sich gar nicht mehr das Privileg nehmen und einfach wegschauen, denn der Rechtsdruck ist viel zu präsent.


Sonja: Was kommt für dich 2018 als Studentin, als Wahl-Wienerin, als Musikerin, als Deutsch-Kurdin?


Ebow: Als Studentin: der Master-Abschluss.

Wahl-Wienerin: Sommer an der alten Donau

Als Musikerin: Viel zu viel!

Als Deutsch-Kurdin: hoffentlich mehr Sensibilität von Freunden und Mitmenschen für die Situation von Kurden in der Türkei.



Ich finde es nicht oberflächlich und peripher von mir, Ebru bei all der tiefgründigen Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen, Asyl, Nahost-Konflikten, Casual Dating und Integration von Flüchtlingen viel gutes, sonniges Wetter zu wünschen, ohne Sturm.

(Maximal ein laues Lüftchen bei Sommerhitze.) 

Vor allem für ihren Abschlusssommer an der Donau.