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Von Softie-Vätern und Rabenmüttern

Der Rückzug der Familienministerin Kristina Schröder zugunsten ihres Kindes kam kurz nach der Wahl überraschend, war jedoch für viele Menschen verständlich. So kehrte diese Frau bereits drei Monate nach der Geburt wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Das machen die wenigsten Frauen. Jetzt möchte sie sich mehr der Familie widmen und weiterhin Frauen ermuntern, sich bewusst dafür zu entscheiden, zu Hause zu bleiben. Das Thema wird derzeit heiß diskutiert. Christian Henne hat deshalb seine Meinung zu dem Thema gebloggt. Es gab einige Diskussionsstränge auf Facebook, an denen ich mich hierzu beteiligt habe und Meinungen gehen teilweise doch sehr auseinander. Für mich ist das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf grundsätzlich ein wichtiges, aber auch zugegebenermaßen emotional geladenes Thema. Deshalb habe auch ich mich dazu entschlossen, meine Meinung dazu in mehr als ein paar Zeilen eines Facebook-Kommentars zusammenzufassen.

Kapitulation einer Ministerin?

Es wurden viele Stimmen laut, dass es eine Art Kapitulation der Familienministerin sei, sich nun vom Job zurück zu ziehen und es wurden ihr weiterhin antiquiertes Denken unterstellt. Ich denke hier sollte man die Kirche im Dorf lassen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt zwar nicht, dass Frau den Job hinschmeißt, damit Mann alles vereinbaren kann, es heißt aber auch nicht, dass Frau nur noch arbeiten muss und der Familie den Rücken kehren soll. Sich eine Auszeit für die Familie zu nehmen, besonders wenn die Kinder noch so klein sind, ist völlig normal, wertvoll und legitim. Allerdings für beide Geschlechter! Natürlich mutet es etwas merkwürdig an, wenn eine Familienministerin, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in unserem Lande vorantreiben sollte, Frauen ermuntern möchte, zu Hause zu bleiben. Meiner Meinung nach liegt das aber nur an zwei Dingen: der Beschränkung auf das weibliche Geschlecht und die ungeschickte Wortwahl. Dabei wird nämlich impliziert, dass es wichtiger für Mütter sei, zu Hause bei Kind und Kegel zu sein, als für Väter. Das klingt nach altem Rollenbild. Es ist aber sicher nicht antiquiert, wenn Familien sich die Betreuung der Kinder aufteilen, was auch im Falle der Familienministerin der Fall gewesen sein muss, denn sonst hätte sie ja nicht drei Monate nach der Geburt wieder arbeiten können. Deshalb ist es auch ihr gutes Recht, eine Weile daheim zu bleiben, so wie in anderen Familien einige Väter gerne noch eine Auszeit in der Elternzeit nehmen.

Emanzipation auf beiden Seiten?

Es gibt wohl zu kaum einem Thema differenziertere Auffassungen und weniger Konfliktpotential als zum Thema Emanzipation. Die negative Bezeichnung "Emanze" bekamen schon vor 20 Jahren Frauen aufgedrückt, die nicht dem Bild der Gesellschaft entsprachen oder eventuell etwas "burschikos daher" kamen. Was aber genau bedeutet es eigentlich, emanzipiert zu sein? Laut Duden bedeutet das Wort:

Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit; Selbstständigkeit; Gleichstellung

Wir müssen heutzutage wohl nicht mehr darüber diskutieren, dass dies für jeden Menschen unserer Gesellschaft selbstverständlich sein sollte. Im Kontext von Familie und Beruf lässt sich die Emanzipation darauf beziehen, dass es keine (finanzielle) Abhängigkeit vom Partner und eine Gleichstellung der Partner geben sollte. Die Emanzipation der Frau geht also nicht ohne die Emanzipation des Mannes. Und hier haben wir den Knackpunkt der ganzen Sache. Frauen möchten sich emanzipieren, sich verwirklichen und die meisten Männern möchten aber dass alles so bleibt wie es ist. Dass es hier zwangsläufig zu Konflikten kommt, dürfte klar sein. An diese Stelle werden vielleicht einige Menschen einwerfen, dass Männer und Frauen nunmal nicht gleich sind. Stimmt, das möchte ich auch gar nicht bestreiten. Dennoch sollten sie gleich behandelt werden. Einer Frau ist es nicht genetisch vorbestimmt, besser Hemden bügeln oder kochen zu können. Ein Mann ist auch nicht von Geburt an ein toller Handwerker und Väter sind für das kindliche Wohl genauso wichtig wie Mütter! Vor allem sind sie genauso fähig, wenn man sie lässt und wenn man sie dazu ermutigt.

Rabenmütter und unfähige Männer

Meiner Meinung nach liegt das Problem weder an Ministern, noch am Staat direkt, sondern in den Köpfen der Menschen unserer Gesellschaft. Was die Emanzipation der Frau betrifft so stagniert gerade in Deutschland die Entwicklung seit Jahren. Die Gehaltslücke zwischen den Verdiensten von Frauen und Männern ist in Deutschland enorm. 2012 verdienten Frauen 22% weniger als Männer. Dies hält seit 15 Jahren konstant an. Mit diesem Prozentsatz ist Deutschland mit anderen führend in der EU. In Polen liegt der Prozentsatz zum Vergleich bei 4,5%. Ich finde das schon enorm. Außerdem hat sich in unseren Führungspositionen in Deutschland nicht viel getan in den letzten 20 Jahren, auch wenn wir mittlerweile einen weiblichen Kanzler haben. Bei Unternehmen über 500 Mitarbeiter liegt dieser bei 8,7%. Es ist zwar ein Anstieg zu verzeichnen aber nur sehr langsam.

Quelle: statista

Nach wie vor sind es mehr Schülerinnen als Schüler, die Abitur machen und eine höhere Bildung abschließen. Wo befinden sich aber diese Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt? Ich habe schon viele Akademikerinnen kennengelernt, die letztendlich nach der Entscheidung für Kinder Hausfrauen waren oder Teilzeittätigkeiten verfolgt haben, für die sie eigentlich überqualifiziert waren. Nicht alle waren damit unglücklich und ich möchte auch betonen, dass nicht jede Frau Karriere machen muss und möchte. Genauso wie auch nicht jeder Mann sich dafür entscheidet. Es ist aber dennoch in den Köpfen förmlich eingemeißelt, dass man als Frau logischerweise beruflich kürzer tritt, wenn Familie ins Spiel kommt. Für den Mann scheint es dabei selbstverständlich zu sein, dass diese Überlegung seitens der Frau kommt, auch wenn es wirtschaftlich nicht wirklich zwingend notwendig wäre. So fortschrittlich wie wir uns gerne geben, sind wir noch lange nicht. Einer Mutter wird seitens der Gesellschaft das Gefühl gegeben, sie sei keine gute Mutter und lasse ihr Kind im Stich, wenn sie wieder arbeiten geht. Bei einem Mann denkt niemand darüber nach. Dahingegen wird ein Mann belächelt, der sich seiner Familie vorrangig widmen möchte. Viele Männer stoßen auf Unverständnis, wenn sie Elternzeit machen wollen und Frauen, wenn sie es nicht tun. Eine Frau ist aber weder eine Rabenmutter und entscheidet sich gegen ihre Familie wenn sie arbeiten geht, noch ist ein Mann ein unfähiger Softie, wenn er sich für Elternzeit o.ä. entscheidet. Das sind wirklich antiquierte Rollenbilder, die aber nicht die Ministerin vorlebt, sondern in den meisten Menschen, ob Frau oder Mann, tief verankert sind.

Fazit

Wenn sich zwei Menschen einig sind, dann ist es prinzipiell völlig in Ordnung, egal welches Familienmodell sie gewählt haben. Außer es ist nur eine Schein-Einigung. Es sollten einfach beide Seiten damit glücklich sein. Fakt ist allerdings, dass sich das gesamte Thema Gleichberechtigung nur ändern kann, wenn die Menschen ihre Denkweisen ändern. Dann braucht man auch keine Frauenquote oder einen anderweitig eingreifenden Staat. Wer Toleranz für seinen eigenen Lebenswandel haben möchte, muss dies auch anderen entgegen bringen. Ich hoffe einfach, dass es in Zukunft immer mehr emanzipierte Frauen UND Männer geben wird, die durchaus in der Lage sind, ein glückliches Leben ohne alte Rollenbilder zu leben und dies auch an ihre Kinder weitergeben. Ich wünsche mir selbstbewusste Frauen, die an sich glauben und sich reinhängen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben und starke Männer, die sich nicht schämen müssen, eine solche Frau zu unterstützen. In anderen Ländern funktioniert dies bereits sehr gut.

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