Wenn der Weg das Ziel ist. 150 Jahre Wanderkultur in Österreich.
Radio Ö1, Radiokolleg, 24., 25. und 27.10.2016 (3 Teile)
Gestaltung: Sonja Bettel
Vor rund 150 Jahren entstanden in Österreich die noch heute existierenden Alpinvereine als Reaktion auf die zunehmende Entdeckung des Wanderns und des Naturerlebens durch das Bürgertum und später auch die Arbeiterschicht. Die Alpinvereine machten das Wandern als Volksbewegung erst möglich, weil sie Wege erschlossen und pflegten und Schutzhütten bauten und bewirtschafteten.
Noch heute wäre das Wandern in den Alpen kaum möglich, wenn die Alpinvereine sich nicht um die Infrastruktur kümmern würden. Sie stehen dabei aber vor schwieriger werdenden Aufgaben, weil sie mit knappen Budgets immer mehr Vorschriften und Ansprüchen gerecht werden müssen. Andererseits erleichtern Entwicklungen wie die Photovoltaik, die Passivhausbauweise, Wasseraufbereitungsanlagen und Biologische Kläranlagen den Betrieb von Schutzhütten und machen das Leben in ihnen bequemer. Auch bei Kleidung und Ausrüstung hat sich in den vergangenen 150 Jahren, vor allem seit den 1970er-Jahren, extrem viel getan. Während die Pioniere in Wolle, Leder und gewachstem Tuch und mit Brotlaib und Speckseite im Leinenrucksack unterwegs waren, marschieren heutige Wanderer in leichten, atmungsaktiven, Wind und Regen trotzenden Materialien und tragen in ihren ergonomisch geformten Rucksäcken Powerbars, isotonische Getränke und ein GPS-Gerät mit sich. Statt Wandernadeln am Trachtenhut oder Stempeln im Wanderbuch sammelt man heute Selfies vorm Gipfelkreuz oder Geocaching-Coins.
Beliebt ist das Wandern aber nach wie vor und angesichts steigender Sommertemperaturen in den Städten und hektischer Berufsleben wird es sogar noch beliebter. Das Schöne daran ist, dass man es im Alpenraum je nach Kondition, Lust und Vorlieben in unterschiedlichen Höhenlagen und Schwierigkeitsgraden ausüben kann, und dass es eine Sportart für nahezu jedermann ist, weil man sein Tempo automatisch der Topografie und der Atemfrequenz anpasst. Gehen ist außerdem ein guter Ausgleich für Körper und Psyche, und wenn man sich beim Kauf neuer Ausrüstung etwas zurückhält, ist das Wandern auch preisgünstig bis kostenlos. Und nicht zuletzt kann man entscheiden, ob man lieber allein und auf einsamen Wegen unterwegs ist oder soziale Kontakte pflegt. Ab 1.300 Höhenmetern ist das Du-Wort ohnehin selbstverständlich.
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