Gerade eben ist ein Bauvorhaben wieder gescheitert. Die Robert Vogel KG wollte an der Dorotheenstraße (Winterhude) rund 100 Mietwohnungen bauen - auf einem Grundstück am Mühlenkampkanal, auf dem es bereits drei Hochhäuser gibt. Es gründete sich eine Initiative dagegen, es kam zum Bürgerentscheid. Vorgestern wurde das Aus für das Bauvorhaben besiegelt - 71 Prozent der Abstimmenden votierten gegen die Neubauten.
Wohnungsbau? Ja schon, aber bitte nicht bei uns!Die Autorin
Simone Pauls (44) ist Lokalredakteurin und in Ottensen aufgewachsen. Auch dort ist es viel enger geworden.
48.238 Bürger im Bezirk Nord waren also gegen die Wohnungen, die anfangs weniger als 9 Euro pro Quadratmeter kosten sollten. Auch Bürgerinitiativen in Ottensen, Winterhude, Lokstedt sowie im Grindelviertel kämpften schon gegen die Nachverdichtung in ihrem Stadtteil.
Wohnungsbau? Ja schon, aber bitte nicht bei uns. Soll halt woanders gebaut werden. In begehrten Stadtteilen ist die Gegenwehr besonders groß. Nach dem Motto: Weil hier neue Bewohner hinziehen sollen, müssen wir enger zusammenrücken? Nein danke!
Anwohnerprotest ist nachvollziehbarDer Protest der Anwohner ist ja nicht unverständlich. Niemand freut sich, wenn im grünen Hinterhof plötzlich ein Wohnklotz steht, man vom Balkon aus nicht mehr auf Bäume, sondern Mauern blickt, Parkplätze verschwinden und von morgens bis abends Baustellenlärm nervt.
Aber was wäre denn die Alternative? Nur dort bauen, wo es bislang nichts gibt? Alle ab an den Stadtrand? Die Versiegelung Hamburgs hat allein schon zwischen 1999 und 2012 um die Größe von 2100 Fußballfeldern zugenommen. Grün- zu Bauland zu machen ist also schon aus ökologischer Sicht keine gute Idee. Aus sozialer Sicht auch nicht.
Mietpreise ziehen weiter anDass Hamburger, die sich keine Mietpreise von 12 Euro pro Quadratmeter leisten können an den Stadtrand und darüber hinaus gezwungen werden, kann keine Lösung sein. Reiche im Zentrum, Arme am Stadtrand? Eine schlimme Vorstellung. Außerdem weist die Stadt kaum noch zusammennhängende neue Baugebiete wie in Fischbek oder Oberbillwerder aus.
Haltung, bitte!
Im „Standpunkt" schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlicher Sicht über Themen, die Hamburg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
Also müssen Nachverdichtungen her, sprich Aufstockungen auf bestehende Gebäude sowie die Bebauung von Hinterhöfen und Zwischenräumen. Moderat und mit Augenmaß natürlich, denn eine Stadt, in der vor Enge niemand mehr atmen kann, will auch niemand.
Es könnten 2000 bezahlbare Wohnungen entstehenDer Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen glaubt, dass durch Nachverdichtung mindestens 2000 bezahlbare Wohnungen entstehen könnten, und nennt einige Beispiele: In Sasel wären es 80 Wohnungen, im Bezirk Bergedorf mehr als 160, in Lokstedt bis zu 400.
Wie kann es nun weitergehen? Die Hamburger, die mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind, sollten nicht dagegen kämpfen, dass auch andere schön und zentral wohnen können. Das wäre höchst unsolidarisch. Die Stadt sollte sich außerdem überlegen, wie sie die Bitte-nicht-bei-uns-Bauverhinderer ins Boot holen kann.
Und eine öffentliche Diskussion muss her. Wie sehr kann und darf man eine Stadt verdichten? Wann sind die Grenzen erreicht - und wer entscheidet das? Und wie geht es danach weiter? Wir müssen Antworten auf Fragen wie diese finden - das sind wir den vielen Wohnungssuchenden schuldig.
Das könnte Sie auch interessieren