Alexandra Cousteau hat die Liebe zum Meer geerbt. Ihr Großvater, der weltbekannte Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau, der mit Dokumentarfilmen wie "Welt ohne Sonne" Oscars gewann, brachte ihr mit nur sieben Jahren das Tauchen bei. 1976 in Los Angelas geboren, engagiert Alexandra Cousteau sich seit Jahrzehnten für den Schutz der Meere.
Die Mutter zweier Kinder studierte International Affairs an der Georgetown University in Washington. Sie trägt zwei Ehrendoktortitel und wurde beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Young Global Leader ausgezeichnet. Vor Kurzem ist die 44-Jährige mit ihrem Ehemann, einem deutschen Architekten, und den Kindern von Berlin an die französische Atlantikküste gezogen. Hier sitzt sie jetzt in ihrem Garten, den Laptop aufgeklappt, empfangsbereit unter einem Trompetenbaum.
DIE ZEIT: Frau Cousteau, was ist Ihre früheste Erinnerung ans Meer?
Alexandra Cousteau: Das ist wie mit der ersten Erinnerung an die eigene Mutter, die gibt es nicht wirklich. Ich habe mit sechs Monaten schwimmen gelernt. Ich konnte schwimmen, bevor ich laufen konnte. Das Meer war immer Teil meines Lebens.
ZEIT: Stimmt es, dass Sie mehr Zeit in oder auf dem Wasser verbracht haben als an Land? Ihr Vater verunglückte mit dem Flugzeug, als Sie drei Jahre alt waren. Sie sind ja auf der Calypso, dem legendären Forschungsboot Ihres Großvaters, aufgewachsen.
Cousteau: Ich habe meinen ersten Geburtstag auf der Calypso gefeiert. Aber mein Vater hatte ja sein Flugzeug. Als ich klein war, sind wir viel zusammen gereist, zu den Osterinseln, nach Kenia oder Kalifornien. Bei einer Expedition nach Uganda war ich gerade mal eineinhalb Jahre alt. Idi Amin, der damalige Diktator, war ein Fan meines Großvaters. Er ließ uns während der gesamten Dreharbeiten für die Nil-Filme von Bodyguards begleiten, weil er Angst hatte, dass uns etwas in seinem Land passiert.
ZEIT: Ihr Großvater hat mit der Calypso fast ein halbes Jahrhundert lang die Fauna der Weltmeere erkundet. Für Millionen von Menschen wurden die unbekannten 70 Prozent der Erdoberfläche plötzlich bunt und lebendig. Wie war das, mit ihm Zeit zu verbringen?
Cousteau: Wann immer die Calypso in den Hafen kam, feierten die Leute eine große Party mit Clowns und Musikern und Zuckerwatte. Mein Großvater war ein Pionier, der die Meere erobern und verstehen wollte wie niemand zuvor. Bevor er Abenteurer wurde, war er Kapitän bei der französischen Marine, Spion im Zweiten Weltkrieg, und er spielte eine wichtige Rolle in der Résistance. Allein darüber könnte man einen Film drehen. Er war ein toller Geschichtenerzähler. Ich habe ihn angebetet. Er konnte die Beobachtungen zum Leben erwecken, wenn er mir zum Beispiel im Ozeanmuseum von Monaco vom Leben der Fische erzählte.
ZEIT: Sie waren in den 1980er-Jahren noch ein Kind, als die ersten Kampagnen zur Erhaltung des Meereslebens gestartet wurden. Haben Sie gespürt, dass das Meer, der Schatz Ihrer Kindheit, bedroht ist?
Cousteau: Ich muss so neun Jahre alt gewesen sein, als mein Großvater eine Petition gegen die Öl- und Erzförderung in der Antarktis startete. Ich wollte ihm helfen, habe lauter Kopien davon gedruckt, bin damit auf die Straße gegangen, und die meisten Leute wollten dafür unterschreiben. Ich erinnere mich noch genau, dass eine Frau dagegen war. Ich fragte: Warum? Und sie sagte, weil sie lieber Auto fahren wolle. Das fand ich komisch. Ich erinnere mich, wie ich gedacht habe: Was ist das für ein Mensch! Es war allerdings mein Vater, der meinen Großvater überhaupt erst auf die Bedrohung der Ozeane aufmerksam gemacht hatte. Er war der Ökologe von beiden. Diese Art der Wissenschaft existierte noch nicht, als mein Großvater geboren wurde. In seinem Geburtsjahr 1910 gab es nur eine Milliarde Menschen auf der Erde, und die Meere brauchten noch keinen Schutz. Mein Vater hat ihn anfänglich mitgezogen.
ZEIT: Der Name Cousteau wird traditionell mit den Männern der Familie assoziiert. Wie ist es, wenn eine Frau dieses Erbe fortführt?
Cousteau: Ich habe nie geglaubt, dass ich wegen meines Geschlechts Nachteile haben könnte. So wurde ich auch nicht erzogen. Meine Mutter und meine Großmutter waren ja ebenfalls Entdeckerinnen.
ZEIT: Die wurden aber nie gefilmt.
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Cousteau: Das stimmt. Sie waren zwar Teil der Crew, aber nicht sichtbar. Dabei war meine Großmutter Simone auch Taucherin. Sie war auf allen Expeditionen der Calypso dabei und hat sich um die Crew gekümmert. Man nannte sie deswegen la bergère, "die Schäferin". Ohne sie hätte mein Großvater es nicht so weit geschafft.
ZEIT: Warum nicht?
Cousteau: Sie hat ihren Schmuck verkauft, um die ersten Expeditionen zu finanzieren. Und ihre familiären Beziehungen waren auch wichtig für seinen Erfolg.
ZEIT: 1946 erfand Jacques Cousteau zusammen mit einem Bekannten die Aqualunge, das erste leicht zu benutzende Unterwasser-Atemgerät, den Vorläufer heutiger Scuba-Atemregler. Ihr Großvater war ein passionierter Taucher. Er brachte Ihnen das Tauchen bei, als Sie gerade mal sieben Jahre alt waren.
Cousteau: Er gab mir diesen großen Atemregler. Damals existierte noch keine Ausrüstung für Kinder. Ich war etwas nervös, aber dann völlig verzaubert von dem Gefühl der Schwerelosigkeit. Bald tanzte ein Schwarm silbern schillernder Fische um mich herum, und ich schwebte mit ihnen durch diese völlig andere Welt.
ZEIT: Tauchen Sie gern?
Cousteau: Ich tauche für die Arbeit, aber nicht mehr als Hobby. Es deprimiert mich zu sehr, all die toten Orte zu sehen. Inzwischen gibt es überall diese sogenannten dead zones, in der Ostsee, im Mittelmeer oder im Golf von Mexiko.
ZEIT: War es immer der Plan, dem Erbe Ihres Vaters und Großvaters zu folgen? Sind Sie mehr aus Tradition oder aus Verantwortung Meeresaktivistin geworden?
Cousteau: Ich bin so aufgewachsen und wollte nie etwas anderes. Mein Großvater war auch ein Vorbild für mich, wie man ein sinnerfülltes Leben führt. Früher habe ich es mehr für meinen Vater und Großvater getan. Heute tue ich es für die Zukunft meiner Kinder.
ZEIT: Sind Ihre Kinder schon kleine Aktivisten?
Cousteau: Ich erzähle ihnen nicht von den wirklichen Risiken. Ich glaube nicht, dass es gut ist, ein Kind dieser Art von Angst, Stress und emotionalem Druck auszusetzen. Ich bringe ihnen bei, das Meer zu lieben. Ich zeige ihnen die wundervollen Kreaturen und erkläre ihnen, warum sie so lustige Farben und Formen haben.
ZEIT: Ihr Vater und Ihr Großvater waren zehn oder zwölf Monate am Stück auf Expedition. Wie vereinbaren Sie Ihre Arbeit mit dem Muttersein?
Cousteau: Die beiden waren damals die Einzigen, die so etwas machten, und sie verdienten mit einem Film Millionen. Heute sind die Ozeane und Bildschirme voll mit Forschern und Dokumentarfilmern, und die Budgets sind geschrumpft. Abgesehen davon will ich seit der Geburt meiner Tochter nicht mehr so lange weg sein. Manchmal nehme ich sie mit. Mit zwei Monaten war sie bereits auf ihrer ersten Expedition. Anfang letzten Jahres habe ich an der Green School auf Bali als Gastdozentin unterrichtet. Meine Kinder waren ebenfalls an dieser Schule.