Als Moderator Ingo Appelt sie ankündigt, klingt es fast ein wenig gönnerhaft. „Es ist wichtig, dass wir hier Frauen integrieren", sagt er. Und dann, in ansteigender Lautstärke: „Begrüßen Sie ... Carolin Kebekus!" Die Komikerin kommt auf die Bühne, und viele im Publikum stehen auf, um ausgelassen zu applaudieren. Hier, bei einer Aufzeichnung für die Fernsehshow „Fun Club", in der Stand-up-Comedians auftreten, ist Kebekus als Frau eine echte Exotin.
Und sie spielt mit diesem Image. Die 32-Jährige - zierlich, hübsch, mittelblondes Haar - steht an diesem Tag im orangefarbenen Bambi-Shirt auf der Bühne und lästert in derben Worten über ihre Geschlechtsgenossinnen. Mit einem Mikro in der Hand sagt sie: „Ich wollte Ihnen mal erzählen, was mir tierisch auf den Sack geht, und zwar sind das: Frauen!" Es folgen Witze über Frauen, die sich darüber beklagen, dass ihre Freunde nie gemeinsam Schuhe einkaufen gehen wollen oder darüber, dass Männer ihnen auf die Brüste schauen: „Ich wär' sauer, wenn keiner gucken würde!", brüllt Kebekus mit gespielter Empörung. Im Publikum lachen Männer wie Frauen gleichermaßen.
Jürgen von der Lippe nennt Kebekus „die talentierteste junge Frau im deutschen Comedy-Geschäft". Längst ist sie Gast bei „Nightwash" und im „Quatsch Comedy Club", hat den Deutschen Comedy Preis und den Prix Pantheon gewonnen. Doch warum ist Kebekus damit eine Ausnahme, warum sind Frauen so selten auf deutschen Comedy-Bühnen?
Die Komikerin selbst hat keine rechte Antwort. „Es gibt lustige Frauen, so wie es auch todlangweilige Männer gibt", sagt sie. Und glaubt sogar, dass es für ihre Karriere eher von Vorteil war, dass sie eine Frau ist. Auf der Bühne kokettiert sie auch gern damit, in Köln-Ostheim aufgewachsen zu sein (wenngleich ihre Eltern Banker und Sozialpädagogin sind): „Das ist Bronx. Ich bin der weibliche Bushido - quasi Mushido."
Ihren ersten Auftritt hatte Kebekus in „Gilberts Pinte", einer Kölner Studentenkneipe. „Die Stimmung war schon so: Jetzt kommt eine Frau, lass uns mal ein Bier holen", erzählt sie. Aber dann profitierte sie vom Überraschungseffekt. Ein Fan hat diesen Effekt auf Youtube mal mit „gutes Aussehen, asozialer Humor" beschrieben und ergänzt: „Die Welt braucht mehr solcher Frauen."
„Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren mehr und mehr weibliche Performer im Live-Geschäft", sagt Thomas Hermanns, der 1992 in Hamburg den „Quatsch Comedy Club" gegründet hat, in dem Menschen, die man heute Comedians nennt, zu Popstars wurden (Michael Mittermeier, Wigald Boning und andere debütierten dort). „Aber im Fernsehen ist der Trend noch nicht angekommen - außer Cindy aus Marzahn und Sketch-Komikerinnen geht da noch einiges", sagt Hermanns.
Anderswo scheint man weiter zu sein. In den USA war der Kinofilm „Bridesmaids" („Brautalarm") von 2011 ein großer Erfolg - eine derbe Komödie, in der eine Reihe talentierter Comediennes auftraten, allen voran Kirstin Wiig, Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin zugleich. Wiig entstammt wie Tina Fey der „Saturday Night Live"-Schule. Fey war die erste Frau, die dort das Autorenteam anführte. Ihre Parodie der republikanischen Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin gehört zum Lustigsten, was die Sendung je hervorgebracht hat.
In den USA machen weibliche Comedians ihren männlichen Kollegen schon längst das Gebiet des Zotigen streitig. Sie zieren nicht nur die Cover von Hochglanz-Magazinen, sie sind politisch, sarkastisch und auch vulgär. Sarah Silvermann hat eine ganze Karriere mit als typisch männlich geltenden Flatulenz-Witzen aufgebaut. Der Pups gehört für sie zum Universalcode der Comedy. Bei der Comedy-Frau, auch als „Female Borat" tituliert, ist das allerdings noch das Harmloseste. Mit Colgatelächeln und Schneewittchenteint reißt sie Witze über so ziemlich jede Randgruppe der amerikanischen Gesellschaft.
Wenn man Constanze Behrends fragt, warum es noch immer recht wenig weibliche Comedians in Deutschland gibt, antwortet sie: „Weil Frauen Angst haben, sich auf die Fresse zu packen." Vor acht Jahren gründete sie mit ihrem Mann das „Prime Time Theater" in Wedding. Dort läuft ihre Live-Sitcom „Gutes Wedding, schlechtes Wedding", eine ständig ausverkaufte Seifenoper-Parodie. Mit ihren 31 Jahren ist sie Berlins jüngste Theaterchefin. Die Stücke schreibt, produziert und spielt sie selbst. Sie hatte Auftritte bei „Switch reloaded" oder in der „Kurt Krömer Show". Im knappen silberfarbenen Kleid steht sie auf der Bühne des Clubs in der „Kleinen Revue" des Friedrichstadt-Palasts und macht sich als „Kiffer-Barbie" (1,83m, blaue Augen, blondes Haar) mit sächsischem Akzent im Minirock peinlich. In nicht mehr als vier Minuten muss es ihr gelingen, das Publikum zu begeistern. „Das ist höhere Mathematik", sagt sie. „An den Pointen habe ich länger gefeilt als an meinen 93 Theaterstücken." Wenn man es schafft, als einzelner Mensch so einen ganzen Raum zum Klingen zu bringen, dann spürt man die Macht der Pointe, weiß Behrends. Dabei hat sie selbst nie Stand-up-Shows konsumiert. Der zumeist „männliche Fäkalhumor und die zuweilen recht rassistischen Witze" störten sie immer. Emanzipierter Humor bedeutet nicht einfach „Jungswitze kopieren". Dem Flatulenzwitz setzt sie Scherze übers Stillen entgegen: „Daraus kann man viel Ulkiges ziehen."
Constanze Behrends' komisches Talent zeigte sich schon früh. Aber ihr Humor-Selbstbewusstsein musste sie sich erst erarbeiten. Im Französischunterricht flüsterte sie die witzigen Kommentare immer ihrem Banknachbarn ins Ohr, der hat sie rausposaunt und den Applaus eingefahren. „Ich war immer eher der Backstageflüsterer." Frauen sagen häufig, dass etwas nicht lustig ist, sie wollen ernst genommen werden. „Wahrscheinlich", sagt Constanze Behrends, „weil sie eben in vielen Bereichen nicht ernst genommen wurden". In den Etikettefibeln der 60er Jahre kann man das Komikverbot für die Frau sogar nachschlagen: „Die Dame halte sich bei Tisch mit der Darbietung von Scherzen zurück."
Die Frau war diesem Ideal nach gesittet und schön, statt komisch. Lustig wird es aber erst, wenn das Gefällige gebrochen wird. Im Übrigen lässt sich daraus auch eine umgekehrte Gesetzmäßigkeit ableiten, nämlich wie der Mann mittels Scherzen versucht, seinen Schlag bei den Frauen aufzubessern.
Eine andere Newcomerin in der Comedywelt, Jelena Jugovic (sprich: Jugo+Witz), sagt: „Der deutsche Mann, der das Business dominiert, wollte die Frau lange Zeit nicht witzig und streitlustig." Jugovic wurde in einem Dorf im ehemaligen Jugoslawien geboren und kam als Kind nach Deutschland. Mit Jeans-Mini über Leopardenleggings und Gangsterkette, an der ein pinkfarbenes „J" baumelt, macht sie auf der Bühne Witze mit serbischem Akzent: „Ich liebe Deutsche Land und ich liebe die Deutsche Bahn. Weil es in Deutschland Grundgesetz ist, dass die Bahn keine fünf Minuten zu spät kommt. Da wo ich herkomme, waren wir froh, wenn die Bahn in einem Stück ankommt." 2010 gewann die Komikerin die Quatsch Comedy Talentschmiede. Doch die meisten ihrer Aufträge bekommt sie aus dem Ausland. Ihr Programm beherrscht sie auch auf Englisch, spielte damit schon in Amsterdam, London oder am Carolines Theatre auf dem Broadway. „Es gibt in Deutschland nicht genug Plattformen", sagt Jugovic.
Vor allem das politische Kabarett ist hierzulande traditionell männlich besetzt. Selbst Merkel-Parodien werden von einem Mann (Mathias Richling) besorgt und im letzten Ensemble des „Satire Gipfel" in der ARD (ehemals „Scheibenwischer") war keine einzige Frau. Auch das eherne Gesetz der Late Night Show „Ein Mann und sein Schreibtisch" konnte bis heute nicht durchbrochen werden. Selbst Deutschlands Humorkönigin Anke Engelke scheiterte daran, als sie 2004 mit „Ankes Late Night" Harald Schmidt beerben wollte. „Kicherndes, harmloses Mädchen-Geplauder" habe Engelke abgeliefert, urteilte die „Bild". Und in der „Süddeutschen" hieß es: „Das Grunddilemma blieb: Wer will sich abends von einer Frau die Welt erklären lassen." So war das noch 2004. Unter den Glossen-Schreibern des „Streiflicht" bei der „Süddeutschen" soll inzwischen tatsächlich mal eine Frau geschrieben haben.