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Sterblichkeit: Das Memento mori der Hipster

Der Tod ist angesagt. Er ist sogar optimistisch und fröhlich. Er sieht auch ganz gut aus und ist recht fotogen, zumindest wenn man auf die Homepage der School of Death blickt. Die School of Death ist eine Art Salon, gegründet von Janna Nandzik, 37 Jahre alt, die ihren Lebensunterhalt als Regisseurin, Produzentin und Drehbuchautorin verdient, aktuell schreibt sie für die TV-Serie . Der Name erinnert nicht zufällig an die Website School of Life von dem Philosophen Alain de Botton, der sie als eine Art moderne, globale Bildungseinrichtung gegründet hat und lehren will, wie wir glücklichere oder auch bessere Menschen werden. Janna Nandzik glaubt, dass man auch in der School of Death über das Leben lernen kann.

Bei einem Treffen der School of Death in dem Berliner Szeneladen The Hole sitzen die Teilnehmer auf Bodenkissen und trinken Frozen Margaritas. Thema des Abends ist das persönliche funeral planning, die Planung der eigenen Beerdigung. Irgendwie eine Mischung aus Mutprobe, Infoabend und Todesmeditation, sagt Janna Nandzik. Zu dem Treffen sind die unterschiedlichsten Leute gekommen, eine Krebspatientin, eine Philosophiestudentin, Menschen, die selbst Freunde oder Angehörige verloren haben oder schon einmal mit ihrem Schamanen gestorben sind, weil sie mit Ayahuasca experimentiert haben, diesem halluzinogenen Getränk, um das es seit einer Weile einen Hype gibt.

"Das ist intensiver als ein Stuhlkreis", sagt Nandzik, das Reden über den Tod "soll auch ein bisschen Rock 'n' Roll und Charme haben, sodass es zu einer Lebensrealität passt, in der ich mich bewege". Die Idee kam Nandzik, nachdem ihre Mutter vor einem Jahr die Diagnose einer tödlichen Krankheit erhielt und sie sich "in depressiven Selbsthilfegruppen unter Neonröhren mit gepressten Plätzchen und Filterkaffee" wiederfand. Sie fühlte sich nicht aufgefangen in der herkömmlichen Trauerkultur, auch die Errungenschaften von Hospiz- und Palliativmedizin reichten ihr nicht. Nandzik gehört zu einer Generation, die normalerweise binnen weniger Sekunden alle Informationen im Internet findet - wenn es um andere Dinge geht. Und wenn sie nicht so schnell an Informationen kommen, geht es um das Sterben. "Am Anfang war das mehr so coping, eine Bewältigungsstrategie", erzählt sie. Nachts saß sie im Haus ihrer Eltern, gründete eine Facebook-Gruppe und Facebook-Seite und fuhr die Webseite hoch. Dann spürte sie Resonanz, sprach mit Freunden, alle zwischen 20 und 40 Jahren alt, und alle hatten Lust, sich bei einem Dinner oder in einer Bar über den Tod zu unterhalten.

Folgt man dem französischen Historiker Philippe Ariès, so zeichnete sich der Tod jahrhundertelang dadurch aus, dass er fest mit dem Leben verbunden und nicht überbewertet war. Nandziks Generation trifft der Tod vielleicht unerwarteter als jede Generation zuvor, sie kennt Kriege nur aus Geschichtsbüchern, und auf den perfekten Oberflächen ihrer Instagram-Profile geht es im Grunde darum, die eigene Endlichkeit zu verbannen. Den Tod gibt es in unserer heutigen Gesellschaft nur in dem Moment, wo er eintritt. Der postmoderne Mensch hat Angst vor ihm. Und vor allem hat er Angst davor, das Zepter aus der Hand zu geben. So wie der Hipster mit einem Fingerwisch auf dem Smartphone Termine verschiebt, würde er am liebsten auch den Zeitpunkt des Todes in die eigene Hand nehmen, die eigene Beerdigung optimal planen.

Bei dem Treffen der School of Death ist auch Eric Wrede anwesend, der in Berlin auch unter der eigentümlichen Berufsbezeichnung "Hipsterbestatter" bekannt ist. Er klärt auf, was man bei der Planung der eigenen Bestattung so beachten muss: Kann meine Asche in der Berliner Hasenheide verstreut werden? Gibt es coole Urnen? Brauche ich einen Grabstein? Er gibt Informationen zur rechtlichen Situation in Deutschland und unterschiedlichen Zeremonien von Baumbestattung über Grabstein mit QR-Code oder Live-Übertragung aus dem Krematorium. Dann geht es auch darum, was wir unserem Planeten eigentlich antun, wenn wir sterben. Welche Giftstoffe hinterlassen Silikonbrüste und gibt es ökologisch einwandfreie Pilzganzkörperanzüge? Wenn das Thema Tod tabu ist, kann einem das absurd vorkommen. Aber alle Bodenkissensitzer meinen es hier ziemlich ernst.

Eric Wrede, 37 Jahre, trägt Vollbart und Mütze, früher war er in der Musikindustrie tätig, hat Bands für den Berliner Radiosender Motor FM gemanagt. Mit 33 schulte er dann zum Bestatter um und betreibt heute sein eigenes kleines Bestattungshaus Lebensnah. Fast alle, die bei Wrede arbeiten, sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, niemand hat ursprünglich in dem Beruf gearbeitet, alle sind Quereinsteiger: eine ehemalige Werbetexterin, frühere Fotografin oder Schauwerbegestalterin. Vermutlich ging es ihnen ähnlich wie Wrede, der konfrontiert mit seiner quarterlife crisis auf der Suche nach einer mehr Sinn stiftenden Arbeit war. Wrede stört, dass die Toten in unserer Gesellschaft wegorganisiert werden: Zettel dran, Kühlhaus, Standardsarg. Deswegen begleitet er seine Kunden auch bei der Trauerarbeit. Manchmal baut er den Sarg gemeinsam mit den Hinterbliebenen.

Wrede sagt, er könne mit Freunden im Café über ihre Sexualpraktiken reden, aber nicht über den Tod, das wäre auch für den Menschen am Nebentisch unangenehm. Tod und Trauer werden heute mit der gleichen Prüderie tabuisiert wie die Sexualität in der viktorianischen Ära, schreibt der englische Anthropologe Geoffrey Gorer. Es scheint, als wollte der Hipster den Tod wieder salonfähig machen. Seit Wrede den Beruf gewechselt hat, stellen ihm seine Freunde viele neugierige Fragen und fangen an, sich über ihr eigenes Ende Gedanken zu machen. Eric, wenn ich sterbe, will ich, dass du mir meine Skinny Jeans für den Sarg anziehst, hätte neulich eine Freundin zu Wrede gesagt. "Die weiß schon genau, dass Skinny Jeans so richtig schwer anzuziehen sind", sagt Wrede mit Ironie in der Stimme.

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