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Wie manipuliert man eine Wahl? Erklärt am Beispiel des Brexit - Folge 2: Die Strategie

Über sogenannte Fake News regt sich inzwischen kaum noch jemand auf - außer vielleicht der amtierende Präsident der USA, der allerdings selbst schon über zweitausend Mal beim Verbreiten von Lügen und Halbwahrheiten erwischt wurde. Fast haben wir uns daran gewöhnt, dass soziale Netzwerke von Lügen durchzogen sind. Vielleicht glauben wir sogar, dass wir dagegen immun sind, weil wir auf plumpe Fakes nicht reinfallen. Doch Desinformationskampagnen sind viel mächtiger als ein gefälschtes Foto oder ein aufhetzender Post. Sie setzen eine Kettenreaktion in Gang, zu der Elemente wie Bots, aus dem Ausland gesteuerte Trollarmeen und Mikrotargeting, das mithilfe von Konsumenten- und Persönlichkeitsprofilen funktioniert, gehören.


Was dadurch passiert, lässt sich mit der permanenten Einleitung von ungeklärten Abwässern in einen Fluss vergleichen. Irgendwann ist die Verschmutzung so groß, dass das System kippt und die toten Fische bäuchlings den Fluss hinuntertreiben. Und erst dann wird der Schaden für alle sichtbar. Beim Gewässerschutz wissen wir das und untersuchen die Flüsse regelmäßig, um unerlaubte Verschmutzung aufzuspüren. In den sozialen Netzwerken müssen wir die richtigen Messmethoden für Verschmutzungen erst noch entwickeln. Im zweiten Teil meiner Serie über Desinformationskampagnen schaue ich mir an, warum das so wichtig ist und wie die ersten Schritte dazu aussehen. Denn Desinformationskampagnen - das steckt bereits im Namen - sind eine Form der organisierten Netzverschmutzung.

Desinformationskampagnen können Teil einer Cyberattacke sein.

Die erste Folge dieses Dreiteilers endete mit der Frage, ob Europa Ziel einer Cyberattacke geworden ist. Für die USA ist dies inzwischen stichhaltig, selbst Donald Trump hat mittlerweile eingeräumt, dass sich Russland in die Wahl 2016 eingemischt hat. Beim Brexit wird die russische Einflussnahme weniger stark wahrgenommen, aber es hat sie gegeben, wie du aus der ersten Folge dieser Serie weißt. In diesem zweiten Teil möchte ich erklären, was wir aus dem Hack beim Brexit-Referendum lernen können - und müssen, denn die Methoden, die dabei zum Einsatz kamen, sind eine ernste Gefahr für Demokratien. Dazu muss ich zuerst noch einmal kurz zurück zu den beteiligten Akteuren und ihren Verflechtungen mit der Politik, damit wir besser verstehen, wie es passieren konnte, dass wir in Europa eine Cyberattacke auf eine Wahl erlebt haben - ohne es zu merken.

Kurz gesagt: Es gibt Indizien dafür, dass die Kampagne um das Brexit-Referendum mit dem Mindset und dem Methodenkoffer von militärischen Operationen geführt wurde. Möglich wurde das, weil die Datenanalysefirmen, von denen ich im ersten Teil geschrieben habe, mit politischen Gruppen zusammengearbeitet und Daten und Methoden ausgetauscht haben, zu denen auch militärisches Wissen gehörte.


Aber der Reihe nach.


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