Die Grundaufgabe der Werbebranche besteht darin Informationen über Produkte oder Dienstleistungen an die breite Masse zu tragen. Möglichst viel Profit und die Generierung von Aufmerksamkeit stehen besonders im Fokus. Durch den immer härter werdenden Konkurrenzkampf und die mediale Reizüberflutung greifen Unternehmen allerdings immer wieder zu skrupellosen Werbemitteln. Sie möchten, dass ihre Inhalte um jeden Preis bemerkt werden und anschließend ebenso in den Gedächtnissen der Rezipient*innen bleiben. In einer patriarchal strukturierten Gesellschaft scheint es daher kaum verwunderlich, dass Sexismus und die Werbebranche seit Jahrzehnten zusammengehören. Halbnackte Frauen, die breit grinsend mit Bierdosen oder Reinigungsutensilien posieren und somit den vermeintlichen „Traum eines jeden Mannes" präsentieren sollen, sind deshalb keine Seltenheit. Wenn auch nicht annähernd so oft wie Frauen, so sind doch auch Männer vor allem in den letzten Jahren von sexistischer Werbung betroffen. Sie werden beispielsweise mit Werbeslogans wie „Das versteht sogar ein Mann!" abgewertet oder in das Klischee des durchtrainierten Machos gedrängt.
Ist Nacktheit eigentlich gleichbedeutend mit sexistischer Werbung? Nicht unbedingt. Um das zu verstehen hilft ein Blick auf die Definition des Begriffs Sexismus. Im Grunde wird Sexismus als Form von Diskriminierung beschrieben. Das bedeutet, dass es zu einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts kommen muss. Folglich sind damit Darstellungen von Geschlechterklischees oder Rollenstereotypen und die daraus resultierenden sozialen Abwertungen gemeint. Das kann durch Bilder, aber auch nur durch Sprache erfolgen. Demnach wäre bloße Nacktheit in der Öffentlichkeit nicht sofort diskriminierend. Im Gegenteil: Die Enttabuisierung von Nacktheit oder Sexualität wird heutzutage, auch von manchen Feminist*innen als Empowerment betrachtet. Der gesamte Kontext einer Werbebotschaft entscheidet darüber, ob Werbung diskriminierend ist oder nicht. So wäre das Zusammenspiel von nackter Haut, zweideutigen bildhaften Andeutungen und herabwürdigenden Werbeslogans ein klarer Indikator für sexistische Werbung. Aber Achtung: Auch völlig textfreie Abbildungen von nackten Personen, ohne einen unmissverständlichen Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt, wie zum Beispiel im Fall einer Unterwäschewerbung, sind als sexistisch zu betrachten. Die ungerechtfertigte Verwendung von Nacktheit für Werbezwecke macht Menschen nämlich zu Objekten. In der Praxis lässt sich allerdings nicht jede Werbung so einfach als „eindeutig sexistisch" definieren. Wenn genügend Raum für Interpretationsmöglichkeiten geboten wird, kommt es meist dazu, dass diskriminierende Inhalte von ihren Schöpfern*innen verharmlost werden.
Die Massenmedien sind seit Jahrzehnten eine omnipräsente Kraft, die einen starken Einfluss auf die Gesellschaft haben. Nicht um sonst gelten ihre Inhalte als Grundpfeiler für Meinungsbildung und Information. Die Werbebranche ist ein Teil dieses sozialen Konstrukts. Sie versucht Konsumenten*innen von Produkten oder Dienstleistungen zu überzeugen. Die Emotionalisierung von Inhalten durch erotische Eye-Catcher und zweideutige Werbeslogans sind eine häufig gewählte Methode, um Aufmerksamkeit zu generieren. Außerdem werden heutzutage nicht einfach bloße Produkte oder Dienstleistungen präsentiert. Werbespezialisten versuchen mit einer zusätzlichen Verknüpfung von Gefühlen, Werten, Verhaltensmustern oder Lebensstilen zu punkten. Somit werden gleichzeitig Vorstellungen über das soziale Zusammenleben an die Öffentlichkeit getragen. Das Akzeptieren von sexistischer Werbung sorgt für die Legitimierung und Fortsetzung von geschlechtsbezogenen Klischees und Erniedrigungen.
Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist in der Österreichischen Bundesverfassung verankert. Zudem ist Österreich durch die „UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" dazu verpflichtet, sexistische Werbung zu entfernen. Trotzdem ist Sexismus in der Werbung - bis auf einige Ausnahmen beim ORF- noch immer nicht wirklich gesetzlich geregelt worden. Stattdessen gibt es ein System der freiwilligen Selbstregulation durch den Österreichischen Werberat. Die Initiative „Werbewatchgroup Wien" kämpft gemeinsam mit der Grazer und Salzburger „Watchgroup" gegen sexistische Werbung. Sie bietet Bürgern*innen die Möglichkeit selbst aktiv zu werden und sie per Beschwerdeformular oder Handy-App dabei zu unterstützten. Ihre Aufgaben bestehen darin die österreichische Medienlandschaft zu beobachten, Beschwerden durch Experten*innen prüfen zu lassen und die Ergebnisse dann auf der Webseite zu veröffentlichen. Das Ziel ist es Unternehmen und die Politik mit öffentlicher Kritik unter Druck zu setzen. Die „Werbewatchgroups" möchten auf ein bundesweites oder gar EU-weites Verbot von sexistischer Werbung hinarbeiten. Bis dahin scheint es jedoch noch ein weiter Weg zu sein.
„UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau": https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/frauenrechtskonvention-cedaw/
Österreichischer Werberat: https://www.werberat.at/
Werbewatchgroup Wien: http://www.werbewatchgroup-wien.at/
Auch das Frauenvolksbegehren fordert das "Verbot von Werbungen, Marketingstrategien und sonstigen kommerziellen Medieninhalten, die Menschen in abwertender, stereotyper und/oder sexistischer Weise darstellen": https://frauenvolksbegehren.at/forderung-vielfalt-leben/
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