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Demokratielernen: Mehr als Wissen über Parteien

foto: apa/hans klaus techt Schüler demonstrieren für ihre Rechte. Für Sozialwissenschafter Florian Wenzel sind beim Demokratielernen die Demokratie und ihre Werte immer wieder infrage zu stellen.

Die Jahrestagung des Impulszentrums Cooperatives Offenes Lernen befasst sich mit Demokratielernen

Steyr/Wien - Eigenverantwortung, Kooperation und selbstständige Unterrichtsplanung. Das Impulszentrum Cooperatives Offenes Lernen (COOL) hat vor 20 Jahren den sogenannten Dalton-Plan zum pädagogischen Grundprinzip seiner Schulen gemacht.

Die Lehrer sollen den Schülern als Begleiter im Lernprozess auf Augenhöhe begegnen, in Klassenräten haben die Schüler die Möglichkeit, Konflikte zu lösen, und sie dürfen auch einen Teil des Unterrichts selbst bestimmen. So soll die Schule möglichst demokratisch organisiert sein, um auch die Schüler demokratische Prozesse zu lehren.

Ebendieses Demokratielernen hat sich COOL zum Thema der diesjährigen Jahrestagung in Steyr gemacht. Dass das Thema so aktuell werden sollte, hat sich Leiterin und Mitgründerin Helga Wittwer bei der Planung vor einem Jahr nicht gedacht. Besonders vor dem Hintergrund, dass nun auch viele Flüchtlinge in Schulklassen sitzen, habe die Demokratievermittlung an Bedeutung gewonnen. "Bei Politischer Bildung geht es um viel mehr als nur Parteien oder Wahlen. Es geht um die Polis, das gesellschaftliche Zusammenleben", sagt Wittwer.

Keine absoluten Werte

Während Flüchtlinge in Kursen die Grundwerte der österreichischen Gesellschaft lernen sollen, sagt der Vortragende Florian Wenzel vom Centrum für angewandte Politikforschung in München, dass es "die demokratischen Grundwerte an sich nicht gibt". Einen absoluten Grundwertekatalog für Flüchtlinge hält er für problematisch.

Der Sozialwissenschafter hat das israelische Fortbildungskonzept "Mehr als nur Demokratie" adaptiert. Dieses beschreibt, wie Schüler im Unterricht Demokratie lernen sollen - nämlich indem sie die Frage nach der Demokratie immer wieder neu stellen. "Es gibt keine Sicherheit für Demokratie", sagt Wenzel. Jeder sei selbst dafür verantwortlich, diese zu gestalten.

Für den Unterricht bringt er folgendes Beispiel: Schüler sollen in Kleingruppen die für sie zentralen Werte einer Demokratie sammeln und davon die fünf wichtigsten auswählen und präsentieren. Anschließend diskutieren sie, wie demokratisch der Prozess war. Vielleicht wurden Vorschläge von privilegierteren Schülern bevorzugt, während ein Einwand einer Schülerin einer Minderheitengruppe vernachlässigt wurde.

"Dieses Überraschungsmoment zeigt den Schülern, dass es in Demokratien unsauber zugehen kann und sie möglicherweise gar nicht so demokratisch gehandelt haben, wie sie dachten", sagt Wenzel. Da komme das "Leben daher, und das ist der Ausgangspunkt für Demokratie als Lebensform".

Politische Bildung

Für Wenzel soll das Demokratielernen nicht in einem Pflichtfach "Politische Bildung" stattfinden, sondern in "Elementen, die mit Kooperation und Verantwortung zu tun haben". Etwa in Klassenräten und in Fächern, die thematisch passen.

An den berufsbildenden Schulen, an denen die COOL-Initiative entwickelt wurde, ist Politische Bildung ein Pflichtfach - in allen anderen Schulformen soll es bis zum Schuljahr 2018/2019 in der gesamten Unterstufe als Pflichtmodul im Fach "Geschichte und Sozialkunde" verankert werden. Derzeit läuft ein Pilotprojekt in der sechsten Schulstufe und ein neuer Lehrplan des Pflichtmoduls erprobt. Die Begutachtungsphase des Lehrplans läuft bis diesen Freitag. (Selina Thaler, 15.3.2016)

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