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Junge Künstler in der Krise: Sie standen kurz vor dem Durchbruch, dann kam Corona

Tournee abgesagt, Dreharbeiten eingestellt - eine Band und eine Schauspielerin erzählen, was die Coronakrise für sie bedeutet.

Roy Bianco (links) und der Abbrunzati, Frontmänner von "Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys"

(Bild: Roy Bianco und die Abbrunzati Boys)

Plötzlich fehlt der Lebensinhalt

Den Kulturbetrieb trifft die Coronakrise hart, die Schließung von Kultureinrichtungen, die Absage von Konzerten und Kunstmessen stürzt etliche freischaffende Künstlerinnen und Künstler in finanzielle Probleme. Doch nicht nur das: Für viele ist ihr Beruf nicht allein Broterwerb, er ist Lebensinhalt. Der fehlt jetzt.

Aber was ist mit denjenigen, die erst am Anfang stehen? Auch im vergangenen Sommer, dem Sommer vor Corona, entließen die Kunst-, Musik-, Schauspiel- und Filmhochschulen im Land wie jedes Jahr Tausende Absolventen ins Berufsleben. Dazu kommen die vielen Quereinsteigerinnen. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen schafft den Durchbruch. Oft entscheiden nicht allein Fleiß und Talent, ob es klappt, sondern auch das richtige Timing.

„Im Idealfall hätten wir eine geile Tour gespielt, die Leute hätten uns geliebt."

Band-Frontmann Abbrunzati

Ihr erstes Album wurde zwar trotz Corona am 20. März veröffentlicht. Doch an ihrem großen Tag, an dem auch das Eröffnungskonzert ihrer Tour hätte stattfinden sollen, trat der bayerische Ministerpräsident vor die Presse und verkündete weitreichende Ausgangsbeschränkungen für ihr Heimatbundesland. Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern waren zwar schon vorher verboten worden. Doch mit der neuen Erklärung war für die Band endgültig klar, dass die Beschränkungen nicht nur bis nach Ostern gelten würden, wie es ursprünglich mal geheißen hatte.

Das Geld für die Tickets müssen sie zwar vorerst nicht zurückerstatten, die Tour soll im Herbst nachgeholt werden. Aber der Band fehlen die Einnahmen aus dem Verkauf von Fanartikeln und CDs nach den Konzerten. Genauso wie die Gagen für die insgesamt 15 Festivals, bei denen sie in diesem Jahr aufgetreten wären. Dabei hatten sie damit gerechnet, ab diesem Jahr vom Musikmachen leben zu können.

„Die Leute denken, wenn man bei einem Majorlabel unter Vertrag ist, setzt auf einmal der Geldregen ein."

Band-Frontmann Roy Bianco

"Die Leute denken, wenn man bei einem Majorlabel unter Vertrag ist, setzt auf einmal der Geldregen ein. So ist das aber nicht", sagt Roy. Das Geld von Sony und alles, was sie in den vergangenen Jahren bei Auftritten verdient haben, hätten sie wieder in ihre Musik gesteckt, in neues Equipment und die Dreharbeiten für ihre Musikvideos.

Aber es ist nicht nur der finanzielle Verlust: Auch die Reputation, die sie durch die Auftritte auf den Festivals in der Musikszene gewonnen hätten, bleibt jetzt aus. Ob sie im kommenden Jahr wieder in deren Line-up stehen, weiß niemand.

Zu Hause eingesperrt

Auch Patricia Ivanauskas weiß nicht, wie es weitergeht. Die 28-jährige Münchnerin hat im vergangenen Oktober ihre Schauspielausbildung beendet. Danach lief es gut an für sie. Um nicht zu sagen, sehr gut: Schon ein paar Wochen vor Ende der Ausbildung habe sie ein Engagement an einem freien Theater in München bekommen, erzählt Patricia am Telefon. Im Januar habe sie eine kleine Sprechrolle in dem Kinofilm "Caveman" mit Moritz Bleibtreu ergattert, sie habe sogar eine Szene mit ihm spielen dürfen. Im Februar sei ihr dann eine Hauptrolle angeboten worden, in der Vorabend-Familienserie "Dahoam is Dahoam" im Bayerischen Rundfunk.

Schauspielerin Patricia Ivanauskas

(Bild: Nils Schwarz)

"Meine derzeitige Situation ist superfrustrierend für jemanden, der richtig Bock auf seinen Job hat, voller Tatendrang ist", sagt Patricia. "Das wird viel zu selten gesagt, stattdessen heißt es immer nur: nach vorne schauen, es wird besser."

Wegen des Coronavirus wurden die Dreharbeiten für die Vorabendserie gestoppt. Genauso wie die Aufführungen im Theater, für die Patricia nach eigenen Angaben pro Vorstellung bis zu 150 Euro Gage bekommen hätte. Sie habe jetzt Corona-Soforthilfe beantragt, sagt sie. "Aber die ist noch nicht angekommen."

„Ich identifiziere mich mit dem, was ich tue, mein Beruf ist mein Leben."

Schauspielerin Patricia Ivanauskas

Schlimmer als die finanziellen Sorgen sei aber, wie eingesperrt sie sich fühle. Corona zwinge ihr eine Lebensweise auf, die für einen Bühnenmenschen wie sie nicht nur unnatürlich sei, sondern schwer auszuhalten. "Ich identifiziere mich mit dem, was ich tue, mein Beruf ist mein Leben. Da das jetzt wegfällt, weiß ich oft gar nicht mehr, wer ich bin."

Während sie zu Hause sitze, habe sie sogar das Gefühl, allmählich ihre Fähigkeiten zu verlieren - auch wenn sie mit Sprechtraining und Atemübungen dagegen ankämpfe. "Wenn ich nicht viermal die Woche spiele, dann leidet mein Sprachgefühl, ich fange an, unsicher zu reden."

In Augsburg dagegen sehnt man sich fast schon nach einer kreativen Zwangspause wie der, in der Patricia gerade unfreiwillig steckt. "Eigentlich dachten wir, in den vergangenen anderthalb Jahren unser kreatives Potenzial ausgeschöpft zu haben", sagt Roy. Stattdessen schaltete die Band nach dem Aus der Tour in ein kreatives Notfallprogramm. Das Releasekonzert holten sie zwei Tage nach dem geplanten Termin ohne Publikum im Studio nach und streamten es live bei YouTube. Dabei entstand die Idee, alle zwei Tage eine Comedy- und Musiksendung auf ihrem Kanal zu senden. Es ist ein Versuch, nicht ganz von der Bildfläche zu verschwinden - auch wenn sie damit kein Geld verdienen.

Patricia kämpft dieser Tage ebenfalls in den sozialen Medien gegen das Unsichtbar-Werden. "Dabei sehe ich es eigentlich kritisch, dass bei der Rollenvergabe die Anzahl der Social-Media-Anhänger immer ausschlaggebender wird." Sie habe sich etwa an der Solidarisierungsaktion #poetryforlocals von Kinostar Daniel Brühl beteiligt und dafür in einem Video ein Gedicht für den Buchladen ums Eck rezitiert, erzählt sie. Und nachdem sie die deutsche Netflix-Produktion "Betonrausch" gesehen habe, habe sie den Regisseur auf Instagram angeschrieben, um seinen Film zu loben. Vielleicht werde er nach Corona, wenn wieder gedreht wird, an sie denken.

Gerechtigkeit

Vor einem Jahr hat Konstanz den Klimanotstand ausgerufen - was hat die Stadt seither erreicht?

Und wie soll es nun weitergehen? Eine Bilanz

Vor ziemlich genau einem Jahr schrieb Konstanz am Bodensee Klimageschichte. Als erste Stadt Deutschlands rief die Kommune damals am 2. Mai den Klimanotstand aus. Der Beschluss dazu entstand auf Initiative von "Fridays for Future" - im Gemeinderat wurde er fraktionsübergreifend einstimmig angenommen.

Auf die Ausrufung folgte ein zweiter Beschluss im Juli, der Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz definierte. Seither bastelt Konstanz aktiv an der CO2-Neutralität. Dutzende weitere deutsche Städte nahmen sich die Initiative zum Vorbild und riefen ebenfalls den Klimanotstand aus ( SPIEGEL).

Wie der Klimanotstand die Stadt Konstanz verändert hat

Was hat Konstanz aus einem Jahr Klimanotstand gelernt? Und was hat die Entscheidung bislang wirklich gebracht? bento hat mit Akteuren der Entscheidung gesprochen: dem Klimabeauftragten von Konstanz, Lorenz Heublein, und Manuel Oestringer von "Fridays for Future". Beide Seiten sind sich ziemlich einig darüber, wie der Klimaschutz in Konstanz politische Wirklichkeit wurde - aber nicht darin, wie es weitergehen soll.

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