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Ökonomen fordern Ende der schwarzen Null: Fünf Gründe für mehr staatliche Investitionen

Ökonomen fordern Ende der schwarzen Null Fünf Gründe für mehr staatliche Investitionen

Ein ausgeglichener Haushalt ist seit Jahren der Stolz der Bundesregierung. Die große Koalition hält an der schwarzen Null fest. Doch Deutschlands Wirtschaft schrumpft. Wirtschaftsexperten fordern, kräftig zu investieren - und neue Schulden zu machen.

1) Deutschland droht eine Rezession

Deutschlands Wirtschaft ist im Abschwung. Im zweiten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,1 Prozent. Viel ist das nicht, aber doch ein Alarmsignal. Geht das Bruttoinlandsprodukt auch im dritten Quartal zurück, sprechen Wirtschaftswissenschaftler von einer technischen Rezession.

Sorgen macht den Unternehmen vor allem, dass die Nachfrage aus dem Ausland zurückgeht. Solche Konjunkturschwankungen seien normal, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Aufgabe der Politik sei es, diese Schwankungen möglichst gering zu halten. Der Staat könne dabei helfen, die Binnennachfrage zu erhöhen und den Einbruch der Exporte zumindest teilweise zu kompensieren, so Fratzscher in hr-iNFO.

2) Deutschland braucht dringend eine bessere digitale Infrastruktur

Schnelles Netz - überall in Deutschland. Noch ist die Bundesrepublik davon weit weg. "Wir wissen, dass Deutschland eine der schlechtesten digitalen Infrastrukturen in ganz Europa hat. Das ist ziemlich katastrophal", sagt DIW-Chef Fratzscher. Der Wirtschaftsforscher rechnet mit Kosten von 60 bis 100 Milliarden Euro, um das zu verbessern.

Doch die digitale Infrastruktur ist nur einer von vielen Bereichen, in dem Ökonomen Investitionsbedarf sehen. "Wir müssen die Investitionen in Deutschland stärken, wenn wir diesen wirtschaftlichen Wohlstand, den wir uns erarbeitet haben, auch in zehn und in zwanzig Jahren haben wollen", so Fratzscher.

3) Deutschland kann so günstig Geld aufnehmen wie nie zuvor

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die Finanzwirtschaft auf den Kopf gestellt. Nimmt Deutschland über Staatsanleihen Geld auf, muss die Bundesrepublik nicht den vollen Betrag zurückzahlen. Die Renditen sind negativ. Das bedeutet: Deutschland bekommt derzeit etwa 0,6 Prozent der Einlagen geschenkt.

Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, IW, fordert, diese Möglichkeiten am Kapitalmarkt zu nutzen. Die Politik von Bundesfinanzminister Scholz (SPD) sei unklug. Die Bundesregierung lasse Geld auf der Straße liegen, so Hüther.

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4) Deutschlands Sparpolitik bremst die Weltwirtschaft

Paul Krugman ist Träger des Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften. In seiner Kolumne für die New York Times kritisiert er Deutschlands Sparpolitik . Die Welt habe ein "Germany Problem", schreibt Krugman. Die deutsche Sparpolitik schade der Weltkonjunktur.

Deutschland habe sich selbst schlecht behandelt - mit Folgen für den Rest der Welt. Weil die Zinsen bereits ihren Nullpunkt erreicht haben, bleibe der Europäischen Zentralbank nicht mehr viel Spielraum, schreibt Krugman. Es liege nun an Ländern wie Deutschland, die Nachfrage zu stimulieren. Dazu müsse Deutschland Geld aufnehmen und investieren.

5) Deutschlands Sparkurs ist ein falsches Vorbild

"Die schwarze Null ist ein falscher Fetisch", sagt DIW-Chef Fratzscher. Es gebe in Deutschland die Einstellung: Sparen ist gut, Schulden sind schlecht. "Davon müssen wir einfach mal wegkommen", so der Ökonom. Schulden seien nicht per se gut oder schlecht. Es komme darauf an, wofür man das Geld ausgibt - sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich.

Bürger und Staat sollten nicht überlegen, wie man am besten sparen kann, sondern, wofür man das Geld am besten nutzen kann. "Wenn sie heute Geld in Bildung oder Infrastruktur investieren, dann kommt das doppelt und dreifach in Form von höheren Steuereinnahmen wieder zurück."

Sendung: hr-iNFO Politik, 23.8.2019, 21:35 Uhr
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