Von Sebastian Schreiber, ARD-Studio Washington
Seit dem Inkrafttreten der Strafzölle Anfang Juni steht in den USA vor allem die Stahlindustrie im Fokus. Die Fernsehsender berichten ‑ je nach politischer Ausrichtung ‑ von positiven wie negativen Beispielen. Wirtschaftsexperten wie Jacob Parakilas von der Denkfabrik Chatham House sind überzeugt: insgesamt leiden mehr Unternehmen unter den Zöllen, als dass sie von ihnen profitieren.
Dem Sender CNBC sagte Parakilas, es gebe weniger Stahl-Produzenten, die nun profitieren, als Unternehmen, die importierten Stahl verarbeiten. Handelsverbände bestätigen das. Sie beziffern die Zahl der Stahlarbeiter in den USA auf etwa 150.000, die Zahl der Arbeiter im stahlverarbeitenden Gewerbe auf sechseinhalb Millionen ‑ etwa 40 mal so viele.
Ein Opfer der Zölle ist beispielsweise eine Nagelfabrik in Missouri, die schon 60 von 500 Mitarbeitern entlassen musste. Im US-Kongress wird über die Folgen des Zollstreits diskutiert. Der Weg von Präsident Trump sei ein verdammt rutschiger, sagt der demokratische Abgeordnete Bill Pascrell: "Wir wissen nicht, wie das endet. Wir kennen noch nicht alle Konsequenzen. Das ist einfach eine chaotische Politik."
Einmal verlorene Marktanteile schwer zurückzuholenLängst hat sich der Handelsstreit auf weitere Branchen ausgeweitet. Der Grund dafür sind die Gegenzölle der Handelspartner. Die EU, China, Kanada und Mexiko ‑ sie alle verhängten mittlerweile ihrerseits Abgaben, die ganz unterschiedliche Branchen betreffen. Die Landwirtschaft rückt zunehmend in den Fokus. Die Sojabauern zum Beispiel: 40 Prozent ihrer Ernte geht nach China, es ist ein Milliardengeschäft.
Der Farmer Kevin Paap baut seine Sojabohnen in Minnesota im Norden des Landes an. Er sagt, die verhängten Zölle und ihr Einfluss auf den Preis bereiteten ihm schlaflose Nächte. "Der Export von Agrarerzeugnissen ist immens wichtig für unsere Wirtschaft. Wenn wir unseren Marktanteil verlieren, ist es schwer ihn zurückzuholen", sagt er. "Das können wir uns also nicht leisten. Die Zölle haben einen drastischen Einfluss auf unsere drei wichtigsten Märkte ‑ Kanada, Mexiko und China."
20.000 Betriebe beantragen Befreiung von ImportzöllenGrundsätzlich begrüßen viele Farmer, dass Präsident Trump etwas unternimmt, um aus Sicht der USA unfairen Handelspraktiken entgegenzuwirken. Doch die Wirkung der Strafzölle und ihrer Gegenzölle ist gewaltig, denn sie sorge bei den Landwirten für sinkende Preise, berichtet Russel Boening, ein Farmer aus Texas.
"Wir haben auf unserer Farm gerade Hirse geerntet. Der Marktpreis dafür ist aber in den vergangenen zwei Monaten um 25 Prozent gefallen", sagt er. "Jetzt lagern wir die Ernte erstmal und hoffen, dass die Preise wieder steigen. Das kostet auch Geld. Aber wir sind echte Optimisten und hoffen, dass es aufwärts geht."
Viele Unternehmer, vor allem in den ländlichen Gebieten, haben Trump bei der Präsidentschaftswahl unterstützt. Doch die Sorge, dass der Handelskonflikt großen Schaden anrichten könnte, wachse auch bei ihnen, sagt Boening: "Niemand will mehr als wir, dass die Regierung mit ihren Bemühungen Erfolg hat. Aber es ist wichtig zu betonen, dass diese Entscheidungen das Potential haben, unsere Existenz zu zerstören."
Dreht sich die Zollspirale weiter, werden mehr und mehr US-Unternehmen von den Zöllen betroffen sein. Schon jetzt haben mehr als 20.000 Betriebe beim Handelsministerium beantragt, von den Importzöllen befreit zu werden. Doch nur ein paar Dutzend haben eine solche Ausnahme bislang auch erhalten.