Sein Talent ist Ben Zwiehoff nicht anzusehen. Ein schmaler, mittelgroßer 27-Jähriger, der eine umgedrehte Kappe auf dem Kopf trägt. Keine besonders ausgeprägte Muskulatur ist an ihm wahrzunehmen. Denn seine enormen Fähigkeiten auf dem Rennrad verdankt er nicht seinen Muskeln. „Lunge und Herz sind die Treiber bei so jemandem", sagt ein Kenner der Szene, einer,der Zwiehoffs Fähigkeiten als einer der Ersten richtig erkannt und benannt hat.
Auch Zwiehoffs Ergebnisse im Jahr 2021 lassen nichts Besonderes erkennen. Kein Sieg, kein Platz unter den ersten zehn. Er war 47. bei der Vuelta, der Spanien-Rundfahrt. Und dennoch hat Zwiehoff ein erstaunliches Jahr hingelegt, es war sein erstes als Straßenrad-Profi. Er hat dafür sogar auf seinen großen Traum verzichtet: die Olympischen Spiele. Dort wollte er eigentlich mit dem Mountainbike teilnehmen, das ist sein ursprüngliches Sportgerät. Doch dann wurde erkannt, dass dieser Geländefahrer auf das Straßenrennrad gehört. Das änderte für Zwiehoff alles.
Zwiehoff ist drei Jahre alt, als er seinen Vater, einen ambitionierten Hobby-Mountainbiker, wieder einmal zu einem Rennen begleitet. Ben beschließt an diesem Tag im Jahr 1997, mit seinem Puky-Rad im Tigerentendesign am Kinderrennen teilzunehmen. Eine Runde um den Sportplatz. Er überholt nur deshalb nicht, weil er glaubt, das sei verboten. Bald darauf bekommt Ben sein erstes Mountainbike. Straßenrennen, sagt er, „das war mir zu langweilig, zu flach. Deshalb war klar, ich fahre Mountainbike". Und wie. In der Jugend gewinnt er ein Rennen nach dem nächsten, mit 18 wird er Profi. Doch bei den Erwachsenen endet die Dominanz. Er wird zwar Europameister mit der Staffel, gehört in seiner Disziplin, dem Cross-Country, zu den besten in Deutschland, aber für die Weltspitze reicht es nie ganz. Immerhin qualifiziert er sich 2019 für die Olympischen Spiele in Tokio - ein Traum scheint in Erfüllung zu gehen. Doch dann meldet sich Bastian Marks bei Zwiehoff.