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Sternstunden des Mittelmaßes

Fußballklassiker nachgucken kann jeder. Ein YouTube-Kanal aber zeigt vor allem Partien, die nicht in die Geschichte eingegangen sind. Unser Autor hat sich verliebt.

Eigentlich hatte ich mit dem bezahlten Fußball abgeschlossen. Die Gründe waren die üblichen: die Unsummen, die Allgegenwart. Ich belächelte mich selbst ob meiner Haltung, aber das irritierte sie nicht. Schon die WM 2018 boykottierte ich, danach sah ich mir sogar die Spiele meines Vereins trotz ungeahnter wochenlanger Tabellenführerschaft höchstens in der Zusammenfassung an.

Im Zuge des Corona-bedingten Livefußballverlusts stellten öffentlich-rechtliche Onlineangebote Fußballklassiker ins Netz. Das war mir zu billig. Vermutlich hatte mich am Fußball nicht nur gestört, dass es alle gut fanden, sondern auch alle dieselben Spiele guckten. Und klar konnte ich mir noch mal ansehen, wie Sergio Goycochea sich im WM-Finale 1990 noch genau die 20 Zentimeter zwischen Fingerspitzen und Pfosten frei ließ, die Andy Brehme brauchte, aber ich wusste ja, dass genau das passieren würde. Damals als Siebenjähriger hatte ich das Finale gesehen, weil ich wissen wollte, wie es ausging. Nun sahen es die Leute, weil sie wussten, wie es ausging. Ich sehnte mich nach Subkultur und Überraschung.

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