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Deponiebrand bei Hockenheim: Rätsel und Schweigen nach dem Großbrand

Von Sebastian Blum

Hockenheim/Reilingen. Eine schwarze Rauchsäule hängt am Dienstagabend über Hockenheim. Dutzende Würfel aus recyceltem Kunststoff der Firma Delvanis stehen in Flammen. Es braucht 150 Feuerwehrleute, um den Brand zu löschen. Neben Plastikmüll habe auch eine Halle mit einer Müllsortieranlage gebrannt, berichten die Einsatzkräfte. Acht Feuerwehrleute werden bei den Löschmaßnahmen leicht verletzt. Ein Mitarbeiter des Müllunternehmens zieht sich eine Rauchvergiftung zu. Brandexperten der Polizei gehen davon aus, dass sich das Feuer in der Müllsortieranlage selbst entzündet hat.

Bis Mittwochvormittag löschte die Reilinger Feuerwehr die Glutnester. Wie Einsatzleiter Michael Malcher der RNZ sagte, seien mehrere Kameraden die ganze Nacht auf den Beinen gewesen - und hätten sich gewundert, als in den Morgenstunden bereits wieder Lkw mit Mülllieferungen auf das Gelände fahren wollten. Die Polizei sperrte daraufhin ab.

Großbrand in der Hoba Deponie Hockenheim - Die Fotogalerie

"Wie mir die Kollegen aus Reilingen am Morgen erzählten, war wohl immer noch kein Betriebsleiter vor Ort", sagte der Hockenheimer Feuerwehrkommandant Franz Sommer am Mittwochmittag. Bei der Ankunft der Einsatzkräfte seien noch sieben Mitarbeiter von Delvanis auf dem Gelände gewesen und hätten versucht, die Flammen selbst unter Kontrolle zu bringen. "Bei den Matratzen, bei den Matratzen", hätten sie immer wieder gerufen. Dort sei das Feuer ausgebrochen.

Die RNZ sprach mit Einsatzkräften, Rathausvertretern und der Polizei - dagegen wollte sich Delvanis nicht äußern. Das Unternehmen recycelt Abfälle mit Brennwert. Kunststoffe, die statt Öl oder Kohle Brennöfen beheizen, zum Beispiel bei Zementwerken. Delvanis ist im sachsen-anhaltinischen Karsdorf ansässig. Im Handelsregister tauchen mit Steigra und Stendal zwei weitere ostdeutsche Standorte auf. Eine Zweigstelle im Rhein-Neckar-Kreis existiert laut den Dokumenten hingegen nicht.

Bei einem Anruf in Karsdorf meldete sich eine Frau, die nach RNZ-Recherchen Auskünfte zum Brand erteilen dürfte. Die Frau beteuerte jedoch, sie habe lediglich den gleichen Nachnamen wie die Ansprechpartnerin, und diese sei auch nicht im Haus. Ansonsten stehe weder ein Geschäftsführer noch ein Pressesprecher zur Verfügung. Und sie könne auch keine Mailadresse angeben.

Dabei gäbe es für Delvanis genügend Gründe, Stellung zu beziehen. Aus Feuerwehrkreisen hieß es, auf dem Gelände gehe es möglicherweise nicht mit rechten Dingen zu. Einsatzkräfte berichteten, die Firmenarbeiter noch nach 22 Uhr vor Ort gesehen zu haben. Das machte die Kameraden stutzig. "Die sind ständig in Container rein- und rausgegangen", sagte ein Feuerwehrmann. Sechs Container stünden dort, die auf den unteren Etagen mit Duschen, Toiletten und Spinds ausgestattet seien.

Ob die oberen Etagen tatsächlich nur Büro- und keine Schlafräume sind, überprüft nun das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe und auch, ob für solche Räumlichkeiten eine Genehmigung vorliegt. Die Behörde hat für die Müllanlagen in Hockenheim die Gewerbeaufsicht. Eine Stellungnahme sei in Arbeit, sagte eine RP-Sprecherin. Tatsächlich sind die offiziellen Arbeitszeiten bei Delvanis zwischen 7 und 17 Uhr. Das wurde bei einer Hockenheimer Gemeinderatsitzung bekannt. Das Gremium lehnte jüngst eine Ausweitung der Arbeitszeiten von 6 bis 22 Uhr ab, die Delvanis beantragt hatte.

Auf dem Gelände an der ehemaligen B 39 ist noch eine zweite Müllfirma tätig, die Hockenheimer Bauschutt-Recycling GmbH (Hoba). Bis Mittwochvormittag kursierten Gerüchte, wonach das Feuer bei der Hoba und nicht bei Delvanis ausgebrochen sei. Die RNZ telefonierte mit einer Frau, die sich als Eigentümerin der Hoba ausgab. Ihr gehöre das gesamte Grundstück, an Delvanis vermiete sie einen Teil. Vom Feuer sei die Hoba nicht betroffen, sondern ausschließlich Delvanis. Recherchen ergaben, dass es auch diese Frau gegenüber der RNZ mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm. Sie gab einen falschen Nachnamen an. Wie die RNZ weiter erfuhr, gehört ihr das betroffene Grundstück auch nicht.

Denn dieses hatte die Hoba lediglich von der Stadt Hockenheim gepachtet. Und unter anderem illegalen Bauschutt gelagert. "Das ist einer der Gründe, wieso wir den Pachtvertrag beendet haben", erklärte Rathaussprecher Christian Stalf. Das Landgericht Mannheim habe dem Klageantrag der Stadt bereits zugestimmt. Die Hoba hat das Grundstück bisher aber nicht geräumt, sondern Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt. Das Verfahren wird daher aktuell vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe verhandelt. Ergebnis: offen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hoba auf Hockenheimer, die Delvanis auf Reilinger Gemarkung liegt. Aus dem Reilinger Rathaus heißt es bisher lediglich, Delvanis sei seit 2014 im Gewerberegister der Gemeinde gemeldet. Bisher habe es keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben.

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