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Sorgender Mann statt Sorgen-Mann

Foto: Sabine Kneidinger

Erich Lehner erforscht und propagiert ein neues Männerbild. Dabei richtet er sich nicht nur an das sogenannte starke Geschlecht, denn er findet: Männerfragen sind Frauenfragen. Und umgekehrt.

Über diesen Text freut sich Erich Lehner, denn „das Thema muss unbedingt auch bei den Frauen ankommen", findet er. Mit dem „Thema" meint der Psychotherapeut und Männerforscher nichts weniger als ein neues, völlig überarbeitetes Männerbild: Caring Masculinity, die sorgende Männlichkeit. „Sorge", sagt Erich Lehner, „begleitet mich schon mein ganzes Leben." Nicht nur in seiner Forschung und in seinem früheren Job als Krankenpfleger auf der Psychiatrie, sondern auch als Vater eines heute 21-jährigen Sohnes.

Sorgende Männer, das sind solche, die man immer öfter auf den Straßen sieht, die Kinder tragen oder im Kinderwagen vor sich herschieben, die ihre Kinder von der Schule abholen und für sie Essen kochen, die ihre Eltern pflegen und Erziehungsarbeit leisten. Sie verhalten sich abweichend von jenem Männerbild, das immer noch vorherrscht. „Wir nennen es den dominanten Mann", sagt Lehner, „der durchsetzungsfähig sein, sich gegen die Konkurrenz behaupten und überlegen sein soll." Und auch wenn es den Anschein erweckt, als habe sich das neue Bild vom sorgende Mann schon durchgesetzt, hat das traditionelle Rollenbild nichts von seiner Gültigkeit verloren.

Männer, sagt Lehner, orientierten sich letzten Endes an ihrer männlichen Bezugsgruppe. Daher scheine die Konkurrenz, die Hierarchie, immer und überall durch. „Im schlimmsten Fall endet das tragisch - Männer, die nicht verlieren können, die dem Konkurrenzdruck nicht standhalten, sind unsere Sorgenkinder, sie werden gewalttätig", sagt Lehner. „Die beunruhigend hohe Zahl an Frauenmorden in den letzten Jahren ist eine Folge von unter Konkurrenzdruck stehenden Männern."

Gut für dich, gut für mich

Die Folgen, die dieses Rollenbild hat, sind vielfältig. „Eine der ersten Folgen", sagt Lehner, „ist das Liebesideal der romantischen Ehe", demzufolge Frauen einen Mann „zum Anlehnen" suchen und Männer die Frau „beschützen" wollen. „Dahinter steht keine selbstbestimmte Partnerschaft, in der zwei Menschen miteinander auf Augenhöhe zu tun haben, sondern eine Hierarchie." Dazu passt, dass sich das traditionelle Männerbild oft über das Erwerbsleben definiert: der männliche Haupternährer, die zuarbeitende Frau. Es sei schön, sagt Lehner, wenn eine Frau zu Hause bei ihren Kindern ist. „Für einen Mann ist das aber genauso schön. Und genauso wichtig." Übertragen auf die Gesellschaft besagt das klassische Rollenmodell: Erwerbsarbeit ist die Arbeit, die unser Überleben sichert. Das Pflegen ist schön und gut, aber eben nicht so wichtig. „Damit bekommt die Pflege nicht jenen gesellschaftlichen Wert, den sie haben sollte." Wieder ein Gefälle. Und wieder eines, das mit dem Geschlecht zusammenhängt.

„Für Kinder ist ein ausgeglichenes Verhältnis zu Bezugspersonen optimal", sagt Lehner. „Zu jenen Personen, die für das Kind sorgen, sollten gleichermaßen Bindungen aufgebaut werden." Für Kinder bedeute solch eine gleichmäßige Bindung vor allem Sicherheit und die Möglichkeit unterschiedlicher, tief gebundener Beziehungsarten. „Wenn ein Kind sich das Knie aufschlägt, sollte es beispielsweise genauso oft zu Mama wie zu Papa gehen", meint Lehner. Diese ausgeglichene Präsenz habe erwiesenermaßen Vorteile für das Kind. „Wir wissen, dass Kinder aus solchen Umgebungen besser in der Schule sind, sozial kompetenter, ausgeglichener, selbstsicherer." Auch für die Männer habe die ausgeglichene Präsenz Vorteile. „Männer, die in familiäre Arbeit eingebunden sind, die eine sorgende Tätigkeit übernehmen und den Beruf reduzieren, sind weniger gewalttätig."

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