Bundespolitiker reisen aus Berlin ins Hochwasser, Lokalpolitiker sind immer da: unterwegs mit zwei sehr unterschiedlichen Männern im Katastrophengebiet.
Samstag, Tag drei nach Beginn des Hochwassers: Während Frank-Walter Steinmeier Einsatzkräfte im besonders betroffenen Erftstadt trifft, begleitet von Armin Laschet, läuft Frederik Schorn durch das Haus, das einmal seinem Großvater gehörte, und überlegt, ein Loch in die Wand zu reißen. Damit die Feuchtigkeit besser abziehen kann, sagt er. "Weil es sonst schimmelt. Und dann stürzt uns alles ein."
Das Haus liegt im Kreis Euskirchen, einer ebenfalls besonders betroffenen Region. Schorn, 29, ein überlegt wirkender Mann mit schwarzem Haar und braunen Augen, hat einen Großteil des Freitags damit verbracht, die Wohnung seines Großvaters auszuräumen. Zwei große Haufen hat er vor dem Haus gemacht. Einen mit Dingen, die man noch benutzen kann, ein Kühlschrank steht dabei. Einen für Dinge, die für immer futsch sind. Schränke, Kissen, Töpfe, Pfannen. Das Haus gehört der Familie, seine Onkel haben es untervermietet. Die Mieter sind direkt nach der Katastrophe geflohen.
Schorn ist im Kreis Euskirchen aufgewachsen, in der Gegend zur Schule gegangen, hat in Bonn studiert, lebt hier. Zur Arbeit pendelt er nach Köln. Zweimal hat er für Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Rekers gearbeitet, einmal als Pressesprecher, einmal als Wahlkampfleiter. Inzwischen arbeitet er als Olympiabeauftragter der Stadt. Aber Schorn ist auch Politiker. Seit 2020 ist er Vorsitzender des Kreisverbandes und der Kreistagsfraktion der FDP in Euskirchen.
Die politische DimensionEine Flutkatastrophe hat immer auch eine politische Dimension. Man denke an Gerhard Schröder in seinen Gummistiefeln beim Hochwasser 2002. Und auch dieses Mal werden nicht nur die Katastrophe und ihre Ausmaße diskutiert, sondern auch, welche Bundespolitiker wann kommen, welche Worte sie wählen und welche Schuhe sie dabei tragen.
Wie aber gehen die Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker damit um? Sie sind Betroffene und Krisenmanager gleichzeitig, bei ihnen verschwimmen persönliches Schicksal und der politische Umgang mit der Katastrophe.
Schorn wirkt erstaunlich gefasst für das, was in den letzten Tagen in seiner Heimatstadt geschehen ist. "Der Schock kam in der Nacht zum Donnerstag", sagt er. "Jetzt geht es nur um Schlamm und Aufräumen."
Seine Freundin und er lagen in jener Nacht im Bett. Gegen Mitternacht fuhr er noch mal runter zum Fluss, da sah es noch halbwegs okay aus. Dann aber stieg der Pegel. Schorn stellte sich alle zwei Stunden den Wecker, um den Keller abzupumpen. Kurz nach drei Uhr morgens rief sein Onkel an: Der Deich ist übergelaufen, die Welle kommt. "Das Krasse", sagt Schorn, "war dieses Geräusch. Man hört Wassermassen kommen, an einem Ort, an dem sonst kein Wasser ist." Dabei kamen sie noch glimpflich davon, der Keller lief voll, mehr nicht.
Der Politiker soll mal was regelnSeit 2009 ist Schorn in der FDP. Warum? "Ich glaube an das System der Leistungsgerechtigkeit", sagt er. "Wer nicht viel hat, dem soll geholfen werden. Derjenige, der sich anstrengt, soll aber auch etwas davon haben."
Schorn sagt, er bringe sich gern politisch in der Kommune ein. Ein wirklich geiler Tag sei einer mit mindestens drei Sitzungen und Ausschüssen. Und doch sieht er die Grenzen der Lokalpolitik. "Uns sind auf vielen Ebenen die Hände gebunden, vieles können wir nicht entscheiden. Das ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Die sehen nur: Da ist ein Politiker, der soll mal was regeln." Für Schorn soll es daher auch weitergehen, in die Landespolitik. Er will bei der Landtagswahl im nächsten Jahr kandidieren. "Bei dem derzeitigen Listenplatz sieht das allerdings nicht sehr realistisch aus", sagt er. Er stehe auf Platz 43. Euskirchen wird seit fast einem Jahr schwarz-gelb regiert. Davor gab es über viele Jahre eine Koalition aus SPD und CDU.
Nachdem er und seine Freundin im einstigen Haus des Großvaters nach dem Rechten gesehen haben, setzen sie sich in seinen grauen BMW 4. Vor ihnen liegt ein langer Tag.