Schweinehalter in Brandenburg leiden nicht nur unter Corona, sondern auch noch unter der Schweinepest. Die Probleme bei der Bekämpfung sind mitunter erstaunlich ähnlich.
Für Frank Tiggemann entpuppte sich der 27. September 2020 im Nachhinein als Schicksalstag. Jäger hatten an diesem Sonntag erstmals in seinem Landkreis Märkisch-Oderland, unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze, ein Wildschwein erlegt, das später positiv auf die Afrikanische Schweinepest (ASP) getestet wurde. Wenige Tage zuvor hatte man bereits ein infiziertes Tier in einem benachbarten Landkreis gefunden. Damit erreichte die Krankheit, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Nachbarland Polen ausgebreitet hatte, nun auch deutschen Boden. Landwirt Tiggemann hoffte damals, dass man das Virus schnell eindämmen könne, sagt er. Heute, ein halbes Jahr später, weiß er: Er lag falsch.
Mehr als 900 an der Afrikanischen Schweinepest verendete Wildschweine wurden seit Ausbruch in Deutschland gefunden, alle in Sachsen und Brandenburg. Dort sind vor allem die Landkreise Oder-Spree und Märkisch-Oderland betroffen. Sie haben sich zu Hotspots der Seuche entwickelt.
Bauern und Jägerinnen kritisierten früh das Vorgehen der verantwortlichen Stellen in der Seuchenbekämpfung. Vergangene Woche legten nun fünf Schweinehalterverbände aus Ostdeutschland mit einem offenen Brief nach. Es fehle ein schlüssiges Konzept, heißt es darin, der Bau des Schutzzaunes komme zu langsam voran, Landkreisen und Kreisverwaltungen fehlten die notwendigen finanziellen Mittel. Der deutschen Schweinefleischbranche drohe ein Verlust von mehreren Milliarden Euro pro Jahr, heißt es weiter, vor allem aufgrund von Ausfuhrbeschränkungen ins außereuropäische Ausland und gefallenen Preisen. Laut Landesbauernverband Brandenburg sind 177 Betriebe in den gefährdeten Gebieten im Bundesland betroffen.
Chaotische SeuchenbekämpfungFür Menschen ist die Afrikanische Schweinepest ungefährlich, für Schweine hingegen verläuft sie meist tödlich. Für Schweinehalter ist das nicht das einzige Problem: Das erste mit dem Virus infizierte Wildschwein auf deutschem Boden hat einen Mechanismus in Gang gesetzt, dessen Auswirkungen bis nach China reichen. Die Beschäftigung mit der Seuche führt mitten hinein ins Geflecht der internationalen Fleischwirtschaft und zugleich in die Untiefen der lokalen Seuchenbekämpfung. Und die, glaubt man Landwirten wie Tiggemann, gleicht ein wenig dem Abstimmungschaos zwischen Bund und Ländern in der Corona-Pandemie.
An einem wolkenverhangenen Apriltag sitzt Frank Tiggemann hinter dem Schreibtisch seines Büros auf seinem weitläufigen Gut in Podelzig. Ein hochgewachsener Mann Ende 40, braune Allwetterkleidung, markante Gesichtszüge, die kurzen Haare an den Seiten leicht ergraut. 1998 zog seine Familie aus Westfalen nach Brandenburg, sein Vater kaufte das Gut, baute es aus, Tiggemann übernahm. Neben der Schweinezucht betreibt er heute auch Ackerbau und eine Biogasanlage.
Als die Jäger an jenem 27. September das infizierte Wildschwein in seinem Landkreis schossen, 15 Kilometer von seinem Hof entfernt, wurde die Gegend in verschiedene Zonen eingeteilt: Tiggemanns Gut stand nun im gefährdeten Gebiet. Ein Stigma.
Angst vor dem ImageschadenSeitdem können er und andere Schweinehalter aus gefährdeten Gebieten ihre Schweine nur noch in einem Hof in Deutschland schlachten lassen, in Schleswig-Holstein, mehr als 400 Kilometer von Tiggemanns Gut entfernt. "Andere Schlachtereien weigern sich, die Tiere anzunehmen", sagt er, "aus Angst vor einem Imageschaden."
Für Tiggemann, der vorher in der Umgebung schlachten ließ, ist das ein Riesenverlust. Die höheren Transportkosten würden offiziell zwar vom Land übernommen, sagt er, eine verbindliche Zusage habe er allerdings noch nicht bekommen. Das Hauptproblem aber ist der Schlachthof selbst: Er zahlt Haltern aus den gefährdeten Gebieten weniger als denen aus anderen Regionen, im Schnitt 23 Euro weniger pro Schlachtschwein. Für Tiggemann kommen noch weitere Einkommenseinbußen hinzu, da er aufgrund der gesunkenen Nachfrage viele seiner Schweine, die eigentlich als Zuchtsauen vorgesehen waren, jetzt ebenfalls als Schlachtschweine verkaufen muss. "Das hält niemand lange durch."
Aber auch international hat der erste ASP-Fall auf deutschem Boden Konsequenzen. Viele Staaten verhängten generelle Importstopps für deutsches Schweinefleisch, darunter auch der wichtige Absatzmarkt . Das ist bedeutend, weil die Chinesen auch vermeintliche Nebenprodukte wie Ohren, Pfoten und Rüssel der Tiere kaufen, die man in Deutschland sonst nicht loswird. Auch das hat wiederum finanzielle Auswirkungen.