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Bremsen ist nicht sein Ding

Mal wieder ein paar Fußgänger*innen in Gefahr gebracht? Macht nichts. Hauptsache, die Funktionskleidung sitzt. Eine Polemik über rücksichtslose Radfahrer.


Ja, Stefan-Thomas. Jetzt freust du dich. Schaffst den Weg ins Büro in 19 statt in 20 Minuten – auf dem Fahrrad, versteht sich. Dass du dafür auf deinem Weg eine Radfahrerin und einen spazierenden Senioren fast in den Tod gerissen hast? Hast du nicht mal bemerkt, bremsen ist nicht so dein Ding.


Stefan-Thomas ist der Mann, den ich regelmäßig auf Radwegen treffe. Oder eher: Der in einem ungesunden Tempo an mir vorbei rast. Stefan-Thomas hat ein teures Fahrrad, trägt oft einen Helm und Funktionskleidung. Und Stefan-Thomas fährt so, als gehörte der Radweg ihm. Ihm allein. Dabei ist er natürlich im Recht, denn er ist Radfahrer: Er tut etwas für die Umwelt! Stefan-Thomas könnte auch eine Frau sein, das habe ich aber noch nicht erlebt.


Ich schreibe diesen Text unter dem frischen Eindruck einer Begegnung mit einem Stefan-Thomas. Er zog an einer Stelle, die unübersichtlich war und die sich Radfahrer*innen mit Fußgänger*innen teilen müssen, so dicht an mir vorbei, dass nur eine kleine Bewegung mit dem Lenkrad gereicht hätte, und es hätte uns beide mitsamt unseren Rädern nach unten gerissen. Gleich darauf umfuhr er ebenso dicht zwei Fußgänger, darunter einen älterer Mann. Ich sah Stefan-Thomas dann von Weitem, wie er davon raste in seiner doofen neongelben Funktionsjacke, der nächsten brenzligen Situation entgegen.


Einfach mal das Tempo drosseln? Och nö.

Um das klar zu stellen: Natürlich gibt es rücksichtslose Autofahrer*innen, die für andere Menschen im schlimmsten Fall eine weitaus größere Gefahr darstellen als ein rasender Radfahrer. Ich habe auf dem Fahrrad Situationen mit Autos erlebt, die man guten Gewissens als lebensbedrohlich beschreiben kann. Wer eine Umfrage unter Autofahrer*innen in Berlin macht und wissen möchte, ob sie den holländischen Griff anwenden, wird in vielen Fällen in fragende Gesichter blicken.


Aber: Ich verbringe relativ viel Zeit auf Radwegen, die zwar schmal und mies asphaltiert, doch immerhin deutlich vom Autoverkehr getrennt sind. Dank Stefan-Thomas erscheint mir aber auch das mittlerweile gefährlich.


(Auszug)

Original