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„In einem größeren Kontext sehen"

Joachim Paul, stellvertretender Vorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz

Joachim Paul ist noch nicht lange Politiker, doch wie viele seiner Amtskollegen hat er schon eine Standardantwort auf brenzlige Fragen parat. Man müsse das Ganze in einem größeren Kontext sehen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der rheinland-pfälzischen AfD-Fraktion dann und fixiert seinen Gesprächspartner mit einem durchdringenden Blick. Paul war vor einigen Jahren erst der FDP beigetreten, fand sich in dem Parteiprogramm dann doch nicht wieder und wechselte relativ schnell nach ihrer Gründung zur Alternative für Deutschland.

Vom Lehrer zum Politiker

Eigentlich ist er Lehrer für Sozialkunde, Geschichte und Deutsch an einer Berufsschule in Neuwied, doch mit dem Einzug der AfD in den rheinland-pfälzischen Landtag hat er seinen bisherigen Job ruhen lassen und arbeitet nun in Mainz. Für die nächsten fünf Jahre ist der massige Mittvierziger Vollzeit-Politiker.

In breitbeinigem Sitz und mit vor der Brust gefalteten Händen beantwortet er bereitwillig kritische Fragen, auch zu seiner Verbindung „alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks", die sich 2011 gegen Mitglieder nicht-deutscher Abstammung ausgesprochen hatte. „Die Abstammung eines Kandidaten sollte nur eines mehrerer Aufnahme-Kriterien sein." Man müsse das in einem größeren Kontext sehen, beschwichtigt Paul bei einem Gespräch in der Mainzer Innenstadt, nur um dann auszuholen: „Auch wir von der AfD finden, dass die Abstammung bei der deutschen Staatsbürgerschaft wieder eine Rolle spielen sollte."

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland." - Joachim Paul

Solche Gedankensprünge und Rückwärts-Saltos gehören zu Pauls politischer Strategie, genauso wie immer wieder zu beschwichtigen. So versucht er gemäßigte und radikalere Denker auf seine Seite zu ziehen. Er wiederholt begeistert die Passage aus dem AfD-Parteiprogramm, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Kurz darauf erklärt er, man könne natürlich trotzdem Muslim und gleichzeitig ein guter Deutscher sein.

Paul beschwichtigt auch, wenn er über seine Beziehung zu Parteikollegen spricht. Man könne sich über Björn Höckes Inhalte und Formulierungen streiten, aber in Thüringen hätte seine Strategie wunderbar funktioniert, sagt er. Die Leute in Mainz und Umgebung könne man nicht so gut mit lauten Demonstrationen und eindeutigen Parolen überzeugen, da müsste man etwas ruhiger vorgehen. Frauke Petry nennt er einen „Leistungsmenschen". Die energische Parteichefin dient ihm als Beweis dafür, dass die AfD eine durchaus frauenfreundliche Partei sei.

Seine Schüler protestierten gegen ihn

Familie ist Paul sehr wichtig, auch wenn der Mittvierziger selbst noch keine hat. Er ist unverheiratet, mit Kindern hatte Paul nur als Lehrer zu tun. Seine frühere Arbeit bezeichnet er als „Traumjob", auch wenn seine Schüler seit seinem Beitritt zur AfD im Jahr 2013 immer wieder gegen ihn demonstriert haben. Ein Mädchen kam mit einer Tasche in seinen Unterricht, die den Spruch „Fuck AfD" zierte. Paul erzählt locker, er hätte seine Witze darüber gemacht, zu größeren Kontroversen sei es nicht gekommen. Das Schulsystem in Deutschland kritisiert er als völlig von rot-grün dominiert. Als Konservativer sei man da eher ein Außenseiter.

"Man muss das in einem größeren Kontext sehen" - Joachim Paul

Überhaupt hat Paul als AfD-Politiker seine Schwierigkeiten mit linken Ansichten. Auf seiner Facebook-Seite findet sich ein prekärer Kommentar, den er mit einem „Gefällt mir" bedacht hat. In dem Post einer Parteikollegin ist von „linken Ratten" die Rede, die „in ihre stinkenden Löcher gejagt" werden sollten. An diesem Punkt gerät der AfD-Politiker aus dem Konzept. Er entschuldigt sich hastig, sagt wieder „man muss das in einem größeren Kontext sehen". Direkt nach dem Gespräch nimmt Paul den Kommentar von seiner Facebook-Seite. Er ist auch in einem größeren Kontext nicht weniger prekär.

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