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Urbane Götter mit Spraydosen

Bis Sonntag ist das Calle Libre - Festival für urbane Ästhetik wieder in Wien. Graffiti-Künstler machen die Stadt unter dem Motto „Urban divinity“ ein bisschen bunter und laden mit Livekunst an verschiedenen Orten zum Zuschauen ein.


„Graffiti-Maler werden oft als Randalierer dargestellt und mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Wir sehen sie stattdessen als urbane Götter, die aus der Vogelperspektive über die Stadt wachen“, erklärt Jakob Kattner, der Initiator des Calle-Libre-Festivals. Aus dieser Überlegung entstand das diesjährige Motto „Urban Divinity“.

Kattner ist nicht ganz unschuldig daran, dass aufmerksamen Betrachtern beim Spaziergang durch die Innenstadt immer häufiger großflächige Gemälde auf einst grauen Hausfassaden auffallen.


Künstler aus aller Welt

Am Anfang des Festivals stand eigentlich eine Doktorarbeit. „Ich schrieb meine Dissertation über urbane Kunst in Lateinamerika und befand mich dort auf einer Forschungsreise“, erzählt Kattner. All die Künstlerinnen und Künstler, die Erfahrungen aus dieser Zeit, wollte er nach Europa bringen.


Und so kommt es, dass Calle Libre seit 2014 Urban Art und Street-Art ins Zentrum der öffentlichen Diskussion rückt. Dabei gab es immer eine Beteiligung lateinamerikanischer, aber auch österreichischer oder europäischer Künstlerinnen und Künstler. „Es ist Teil des Konzepts, dass Kunstschaffende mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund an einem Strang ziehen.“


Livekunst zum Zuschauen

Auch heuer bringt das Festival zehn österreichische und internationale Künstlerinnen und Künstler nach Wien, die im Stadtgebiet Livekunst an leere Wänden und Fassaden pinseln oder sprayen. Sowohl in den Formaten als auch in Technik und Darstellung setzen die Festivalmacher auf Diversität.


Im MuseumsQuartier wird eine kleine Fläche von zwei mal zwei Metern bemalt, auf der Siebenbrunnerstraße wird ein 24 Meter hohes Bild entstehen. „Es wird abstrakte und realistische Darstellungen geben, manche Künstler arbeiten nur mit Dosen, andere nutzen Acrylfarben“, verrät Kattner.

Vom Donaukanal in alle Bezirke

2014 fand das Calle Libre noch am Donaukanal statt, der sich in den letzten Jahren zu einer riesigen Freiluftgalerie entwickelt hat. Inzwischen spielt sich das Festival jedoch an unterschiedlichen Stationen in der Innenstadt ab.

„Sichtbarkeit war ein großes Argument für diesen Umzug, und die hat man eher in der Innenstadt“, sagt Kattner. Ausschlaggebend seien aber auch persönliche Gründe gewesen. „Wir wohnen im siebten Bezirk und wollten auch unsere eigene Umgebung verschönern.“ Auf Dauer sei es allerdings das Ziel, alle 23 Bezirke ein wenig bunter zu gestalten.


Aktive Unterstützung in der Bevölkerung

Mittlerweile ist das Calle Libre das größte Street-Art-Festival Österreichs. In Wien gestaltete sich die Umsetzung allerdings nicht immer so einfach. „Es war schon oft ein Kampf.“

Aus der Bevölkerung habe man zwar immer sehr positives Feedback erhalten, „manche Bewohnerinnen und Bewohner haben sich sogar aktiv für die Fortführung eingesetzt. So haben wir auch Spielplätze und Parkplätze bemalt“, erzählt Kattner. Zu kämpfen habe das Festival allerdings mit seiner Finanzierung: „Da gibt es auf Bundesebene schon noch Spielraum.“


Workshops, Partys, Filme

Neben den Livepaintings wartet ein Rahmenprogramm mit Workshops, Partys und Filmscreening auf die Besucherinnen und Besucher des diesjährigen Festivals.

Auch eine „Urban Art“-Tour durch den sechsten und siebten Bezirk wird am Freitagabend angeboten. Die Teilnahme ist kostenlos, Interessierte werden allerdings gebeten, sich über die Website anzumelden.


Das Recht auf Partizipation

Kattner wünscht sich, dass „urbane Kunst“ als ernstzunehmende Kunstströmung anerkannt wird. „Und dass die Menschen ihr Recht auf Partizipation in der Stadt einfordern. So wie wir das getan haben.“ Darum nannte er das Festival auch „Calle Libre“, was übersetzt „Freie Straße“ bedeutet.





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