1 subscription and 1 subscriber
Article

Innenstadt: Razzia im Bordell

Bei der Suche nach Menschenhändlern führt die Spur nach Mainz.

Eine Wohnung in der Mainzer Innenstadt in einem unauffälligen Mietshaus aus den 1960er Jahren. Abends stürmt ein Einsatzkommando der Mainzer Kriminalpolizei mit saarländischen Kollegen durch das Treppenhaus in die Räume. Zehn Fahnder vermuten hier junge Frauen, die aus Osteuropa nach Deutschland gelockt und zur Prostitution gezwungen werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt ist allerdings niemand in der Wohnung, „wir haben jedoch Beweismaterial sicher gestellt", bestätigt Horst Schäfer, Sprecher des saarländischen Landeskriminalamtes.

Parallel zu dem Einsatz in der Wohnung wurde ein Bordell in Mainz durchsucht, in dem sich Frauen per Terminvereinbarung prostituierten. Sieben rumänische Frauen zwischen 18 und 23 Jahren, die womöglich in die Fänge der Menschenhändler geraten waren, wurden dort angetroffen. Zeitgleich verhafteten die Fahnder vier mutmaßliche Drahtzieher in Saarbrücken wegen Menschenhandels, Zuhälterei und Steuerhinterziehung. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen 41-Jährigen, der in Mainz lebt, einen 53-jährigen Mann aus Saarbrücken, sowie eine Frau und einen Mann aus dem saarländischen Riegelsberg. Die Aktion fand unter höchster Geheimhaltung bereits vergangenen Donnerstag statt. Die Polizei ist erst jetzt aus ermittlungstaktischen Gründen an die Öffentlichkeit getreten.

In Saarbrücken wurden zur selben Zeit wie in Mainz weitere Bordellwohnungen durchsucht. Insgesamt traf die Polizei dort 22 Frauen aus Rumänien an. Seit Monaten ermitteln die Beamten gegen den Menschenhändlerring. Schließlich führte die Spur auch nach Mainz.

Es ist ein erschreckendes Bild organisierter Kriminalität, das sich nun mehr und mehr wie Mosaiksteine zusammenfügt. Und Mainz soll dabei der Knotenpunkt eines kriminellen Systems sein. Denn die durchsuchte Wohnung, die dort nach ersten Ermittlungen relativ kurzfristig angemietet worden war, ist mutmaßlich die erste Anlaufstelle in Deutschland für die jungen Frauen aus Osteuropa gewesen. „Von dort aus wurden die Frauen in die Bordelle in Mainz, Saarbrücken und Neustadt an der Weinstraße verteilt, darauf weist das Beweismaterial hin", erklärt der LKASprecher.

Barbara Filipak, Leiterin der Beratungsstelle für Migrantinnen in Saarbrücken, war bei der Razzia im Saarland dabei. Seit Jahren kümmert sie sich um Frauen, die in die Hände von Menschenhändlern geraten sind. „Die jungen Frauen waren nur leicht bekleidet, als ich mit dem Einsatzkommando in die Wohnung stürmte". Schnell hätten einige zu Bademänteln und Handtüchern gegriffen, um sich zu bedecken.

Manche seien offensichtlich zur Prostitution gezwungen worden, andere habe die Not in diese Situation getrieben. „Dreiviertel der Frauen haben in ihrer Heimat bereits Kinder. Mit dem Geld, das sie mit der Prostitution verdienen, unterstützen sie ihre Familien". Zu all dem schwiegen die jungen Frauen bislang gegenüber der Polizei. „Man weiß nie, warum sie zusammenhalten, aber sie tun es", sagt Filipak.

[ Hat Ihnen der Artikel gefallen? Dann bestellen Sie gleich hier 4 Wochen lang die neue digitale FR für nur 5,90€. ]
Original