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Literatur: Wer viel liest, wird eher reich

Es gibt Menschen, die sich nächtelang in Büchern verlieren können und andere, die nur lesen, wenn Beruf, Studium oder der Lehrer es fordert. Als Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfand, war Lesen noch ein Privileg der Oberschicht. Wer reich war, genoss auch gute Bildung. Das schien sich mit einem besseren Zugang zu Büchern und gedruckten Texten zu ändern. Aber noch heute besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen Einkommen und dem Lesen. Das behauptet zumindest eine Forschergruppe der Universität Padua.


Kinder aus belesenen Familien verdienen später mehr


In ihrer Studie mit dem vielversprechenden Titel „Books are forever" befragten die Forscher knapp 6000 Männer in neun europäischen Ländern nach ihrem durchschnittlichen Lebenseinkommen sowie nach der Anzahl der Bücher, die sie im elterlichen Haushalt im Alter von 10 Jahren vorfinden konnten. Die Bücherzahl sagt dabei nicht nur etwas über die wirtschaftliche Lage einer Familie aus, die Zahl lasse vielmehr erkennen, inwiefern einem Kind schon früh die Möglichkeit gegeben wurde, kognitive und sozio-emotionale Fähigkeiten auf- und auszubauen. Das Ergebnis: Kinder aus Haushalten, in denen viele Bücher vorzufinden sind, verdienen später durchschnittlich 21 Prozent mehr.


„Das Vorhandensein von Büchern steht für mehr als nur die Präsenz eines Lesemediums. Es steht dafür, dass Lesen in der Lebenswelt der Kinder verankert war und die Kinder schon frühzeitig verschiedene Kompetenzen entwickeln konnten", sagt Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Dabei ist schon die Gute-Nacht-Geschichte in der frühen Kindheit entscheidend.


„Schon das Vorlesen zahlt sich in vielfältiger Hinsicht auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aus und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Sprachentwicklung", sagt Ehmig. Aus Studien des Instituts für Lese- und Medienforschung geht hervor, dass Kinder, denen vorgelesen wurde, später mit besseren Schulnoten belohnt werden. Die Lust zu Lesen entsteht also Schritt für Schritt: Wer früh vorgelesen bekommt, entwickelt eine höhere Motivation, bald auch selbständig zum Buch zu greifen. Wer viel liest, kann die bessere Bildung erlangen und schließlich mehr Geld verdienen. So weit, so simpel. Doch auch wenn es heute so einfach scheint: Ein hürdenloser Zugang zu Büchern bedeutet nicht, dass das große Angebot auch über alle Gesellschaftsschichten hinweg gleichermaßen genutzt wird. Die neue PISA Studie bestätigt, dass die soziale Herkunft über Lesekompetenz und -motivation entscheidet.


15 Minuten pro Tag vorlesen

Simone Ehmig betont jedoch, dass Eltern unabhängig von Einkommen und Bildung, vorlesen sollten: „Selbst mit 15 Minuten Vorlesen pro Tag bekommen die Kinder eine Möglichkeit, aus Geschichten verschiedene Situationen und Lebensentwürfe kennenzulernen, mit denen sie im echten Leben noch nicht konfrontiert wurden. So können sie Interesse für Themen entwickeln und schon früh ihren Horizont erweitern".

Eine gute Lesekompetenz setzt jedoch nicht nur den frühen Kontakt mit Büchern voraus, sondern auch neurologische Bedingungen: „Zu Beginn der Leseentwicklung existieren bei Kindern schon Hirnareale, die für die Verarbeitung von gehörter Sprache verantwortlich sind. Das Gehirn beginnt dann, jeden Laut mit einem Buchstaben zu verknüpfen", erklärt Johanna Liebig aus dem Arbeitsbereich Allgemeine und Neurokognitive Psychologie an der Freien Universität Berlin.


Wer ab jetzt täglich ein Buch zur Hand nimmt und sich unmittelbaren Reichtum erhofft, der wird enttäuscht. Doch fantasievolle Geschichten und spannende, neue Blickwinkel auf das Leben können zumindest zum geistigen Reichtum beitragen. Das Genre des Buches spielt im Übrigen eine geringere Rolle: Wem lange Romane nicht zusagen, der kann genauso gut zu Sachbüchern oder Zeitschriften greifen - der Effekt bleibt derselbe. Die Devise lautet: Lesen muss Spaß machen.

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