Es ist tatsächlich so: Die Musikkassette kehrt zurück. Die Verkaufszahlen steigen. Doch es gibt ein großes, für deutsche Kassettenmanufakturen existenzielles Problem: Der Rohstoff für die Tonbänder ist ein seltenes Gut geworden.
Wer erinnert sich nicht an endlosen Bandsalat, den man versucht hat, mit dem Bleistift wieder reinzufummeln? Die Kassette war bis in die Achtziger der Tonträger Nummer eins, ehe sie von der CD abgelöst wurde. Das war's für die Kassette. Dachten wir zumindest. Sie kommt nämlich wieder zurück: In den USA, in England, sogar in Deutschland steigen die Verkaufszahlen wieder. Blöd nur: Es gibt kaum noch Material, um die Kassetten zu produzieren.
Dass Schallplatten auf dem Vormarsch sind, belegen die Verkaufszahlen. Dafür gibt es zumindest ein soundtechnisches Motiv: Die Musik klingt einfach besser. Eine moderne Schallplatte aus Vinyl kann theoretisch Frequenzen von 20 bis 80.000 Hertz speichern. Audio-CDs reichen von 0 bis 22.050 Hertz. Menschen hören im Durchschnitt Frequenzen zwischen 20 und 20.000 Hertz. Besonders angenehm ist der Bereich zwischen 500 und 4.000 Hertz.
Allein in den USA hat der Absatz 2018 um 23 Prozent zugenommen, berichtete der Branchendienst Nielson Music, der die Verkaufszahlen statistisch erhebt. Im gleichen Zeitraum waren es in Großbritannien sogar ein Plus von 125 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Grund dafür sind zum einen die vielen Indie-Labels, die häufig auf Kassette aufnehmen, weil es einfach günstiger ist und ein Zeichen gegen die Digitalisierung ist - weil es für viele ein bewussteres Hören sei, wenn man eine Seite umdrehe oder die Kassette zurückspulen muss.
Auch Trendläden wie Urban Outfitters, die aus retronostalgischen Gründen Kassetten wieder in ihre Produktpalette aufgenommen haben, spielen eine Rolle. Die erfolgreichste Kassette 2018 in den USA war ein Filmsoundtrack: „Guardians of the Galaxy: Awesome Mix Vol. 1".
Anscheinend ist die Nachfrage nach Kassetten so immens, dass nun der größte Hersteller in den USA, die National Audio Company (NAC), verkünden musste, nicht genug Rohmaterial zu haben. Um genauer zu sein: Es mangelt an Eisen(III)-oxid. Das braucht man zur Beschichtung der Magnetbänder, die den Ton aufzeichnen.
Laut der Kundenmitteilung sei die einzige Fabrik, die das Rohmaterial aufbereite, fast das gesamte Jahr über wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Statt benötigter knapp 70 Tonnen des Materials, das hauptsächlich in roten Erden und Gesteinen wie Hämatit zu finden ist, hat die Fabrik bisher nur zwei Tonnen geliefert bekommen, weitere elf sollen bis Ende des Jahres folgen. Trotzdem viel zu wenig, um allen Bestellungen nachzukommen.
Die Zahl der verkauften Musikkassetten, die der deutsche Bundesverband der Musikindustrie offiziell erfasst, ist seit 2015 konstant niedrig. Knapp 100.000 verkaufte Einheiten werden verzeichnet. Zum Vergleich: 1991 wurden noch gut 78 Millionen Kassetten in Deutschland verkauft - ein Rekord.
Ohnehin ist der Trend eher eine Mikrotrend. Selbst in den USA, wo die Zahlen deutlich nach oben gehen, lesen sich die absoluten Zahlen eher mickrig.
2017 wurden dort mehr als 169 Millionen Musiktitel verkauft, doch es waren gerade mal etwa 174.000 MCs.Dem gegenüber stehen jedoch die Auftragsbücher von kleinen Kassettenmanufakturen, die auch Leerkassetten verkaufen. Die können selbst bespielt werden und müssen nicht direkt vom Kopierwerk an die Gema gemeldet werden.
Laut T.A.P.E. Muzik, die seit 2004 in Leipzig Musikkassetten in verschiedenen Ausführungen und Stückzahlen herstellen, ist die Nachfrage kontinuierlich gestiegen.
"Wir merken deutlich einen Einfluss des Kassetten-Trends auf unsere Umsatzzahlen, vor allem bei bedruckten und bespielten Kassetten. Für die liegt die Mindestauflage bei uns bei 50 Stück."
Seit den Nullerjahren gründeten sich immer mehr Independent-Labels, die sich auf den Vertrieb von Kassetten spezialisiert haben und ihre Tapes bei anderen Firmen bestellen - sie heißen Awesome Tapes from Africa, Das andere Selbst, Burger Records oder Healthy Tapes. Sie kommen aus London, L.A., Berlin, Melbourne, aus allen Teilen der Welt.
Die Labels setzen zum einen auf Kassetten, weil sie im afrikanischen und asiatischen Kulturraum noch immer das wichtigste Medium für Musikfans sind. Zum anderen, weil so auch kleinere Bands die Möglichkeit haben, ohne großen finanziellen Aufwand ein Album in einer größeren Stückzahl aufnehmen zu können.
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