Aus dem Grab auf die Leinwand: Paul Walker, Carrie Fisher und Amy Winehouse sind nur drei Beispiele für den großen Auftritt nach ihrem Ableben. Und davon wird es in Zukunft noch eine Menge mehr geben. Das hat Folgen für die ganze Filmbranche.
„Who wants to live forever?", sang Freddie Mercury 1986 - und auch wenn der Musiker damals seinen baldigen Tod vor Augen hatte, ist die Frage aktueller denn je. Egal, ob die US-Schauspielerin Carrie Fisher († 2016), die in „Rogue One: A Star Wars Story" plötzlich wieder 19 wurde, oder Paul Walker, der während der Dreharbeiten zu „Fast and Furious 7" 2013 verunglückte und trotzdem im gesamten Film zu sehen war - die Reproduzierbarkeit eines Künstlers scheint im digitalen Zeitalter unendlich geworden zu sein. Sogar über den Tod hinaus.
Das freut nicht nur Fans. Dahinter steckt ein Haufen, ein Riesenhaufen Geld. Die technologischen Möglichkeiten sind mittlerweile derart ausgereift, dass dank 3-D-Scans und LED-Hologrammen ein täuschend echtes, beliebig oft kopierbares Abbild der Originalperson entstehen kann.
Daher kommen immer mehr Schauspieler auf die Idee, sich auf die Zeit nach ihrem Ableben vorzubereiten. Indem sie digitale Kopien ihrer Schauspielkünste in Auftrag geben. So können sie auch nach Lebzeiten die Karriere fortführen. Fragt sich nur, ob man das überhaupt will. Aber dazu kommen wir später.
Wozu das Ganze?Die Firma Digital Domain, die nicht nur an prestigeträchtigen Filmprojekten wie „The Avengers" mitwirkte, hat sich auf Virtual Reality und, wie das Unternehmen es selber nennt, „Virtual Humans" spezialisiert. Ihr größter Coup bisher: Beim Coachella 2012 brachte sie Rap-Legende Tupac wieder auf die Bühne. Zu diesem Zeitpunkt war der Rapper bereits 16 Jahre tot.
Die Sehnsucht nach ewigem Leben oder zumindest einem Abbild davon ist vorhanden. Die Firma gewann in den vergangenen Jahren immer mehr Kunden, insbesondere Schauspieler. Namen nennt sie natürlich nicht.
Die Technik dahinter kostet MillionenUm einen Schauspieler digital zu „konservieren", nimmt die Firma mithilfe Hunderter LED-Lichter millimetergenaue Scans des Gesichtes auf. Aus allen Blickwinkeln, in möglichst vielen typischen Posen und Ausdrucksformen, in möglichst vielen Lichtverhältnissen. So kann mithilfe eines Körperdoubles das Gesicht später ziemlich passgenau in den Film eingefügt werden.
Mittels gleicher Technik wurde Carrie Fisher in „Rogue One" wieder die 19-jährige Prinzessin Leia. Ihr „Ghost-Actor", wie die Körper-Doubles im Fachjargon heißen, war Ingvild Deila. Sie oder besser gesagt ihr Körper war nur für 15 Sekunden im Film zu sehen. So ein Abbild braucht nicht nur unendliche Mengen an Speicherplatz - etwa zehn Terabyte -, sondern auch viel Geld. Wie viel genau, das ist in Hollywood ein gut gehütetes Geheimnis, aber es sind laut Digital Domain mehrere Millionen US-Dollar.
Neben dem Wunsch, bekannte Gesichter dem Publikum möglichst lange präsentieren zu können und so auch viel Profit zu machen, ist die Digitalisierung der Schauspieler - zumindest derjenigen, die Hauptrollen besetzen - für die Produktionsfirmen eine Absicherung. Für den Fall der Fälle, dass eben doch ein Schauspieler während der Dreharbeiten verstirbt.
Wir digitalisieren immer den gesamten Hauptcast eines Films. Wir wissen nicht, ob wir das dann auch wirklich brauchen.
Ben Morris war unter anderem beim Film „Star Wars: Die letzten Jedi" für die visuellen Effekte verantwortlich und erklärte diesen wichtigen Fakt in einem Interview mit dem Filmblog „Inverse". Die Kosten für eine digitale Kopie seien am Ende günstiger als der Schaden durch Drehausfall oder wenn der Film gar nicht mehr zustande käme.
Alles nur eine Frage des Images?Auch die Stars, die heute noch leben, machen sich Gedanken, wie sie ihr künstlerisches Erbe konservieren können - damit womöglich auch ihre Verwandten, potenziellen Erben und Nachlassverwalter etwas davon haben. Es geht hierbei aber nicht nur ums Finanzielle, sondern vorwiegend um ihr Ansehen.
Bestes Beispiel dafür ist Amy Winehouse. Die britische Sängerin, die 2011 nach einer Alkoholvergiftung tot in ihrem Londoner Apartment aufgefunden wurde, soll 2019 wieder auf Welttournee gehen. Als Hologramm. Begleitet von einer Liveband aus Fleisch und Blut. Im Gegensatz zu den desaströsen Auftritten der Diva in ihren letzten Lebensmonaten wird die Hologramm-Amy sich künstlerisch 110 Minuten lang nur von ihrer besten Seite zeigen.
Viele Fans fürchten, dass Winehouse' Erbe von der Firma Base Hologram kommerzialisiert wird. Die Firma hat schon Country-Legende Roy Orbison († 1988) wieder zum Leben erweckt. Kein Wunder, ist es mit dieser Technik immerhin möglich, potenziell das gleiche Konzert Hunderte Male auf der ganzen Welt durchzuspielen - und jedes Mal Tausende von Karten verkaufen zu können mit relativ geringen Produktionskosten.
Für die aktuelle Show von Base Hologram mit Roy Orbison kostet eine Karte beispielsweise zwischen 35 und 65 Euro. Das mögliche Potenzial, wie viel man mit so einer Show verdienen kann, ist dementsprechend riesig.
Mitch Winehouse, der Vater von Amy, hat indes andere Pläne: Alle Einnahmen aus der Show sollen an die Amy Winehouse Foundation gespendet werden. Die Stiftung setzt sich für verschiedene Entzugsprogramme ein. So sollen das künstlerische Vermächtnis von Amy Winehouse und auch ihr Image gestärkt werden.
Ein bitterer Beigeschmack bleibt trotzdemAnfang Oktober etwa eröffnete Ex-Präsident Ronald Reagan in Los Angeles eine Bibliothek als 3-D-Hologramm. Klingt eher nach einer schrägen „Futurama"-Folge von Matt Groening als nach einer innovativen Technik, die unsere Zukunft verändern könnte. Aber die Beispiele zeigen, wie wichtig das Hologramm-Business für die Kultur-, Film- und Musikindustrie werden kann. Aktuell arbeitet Microsoft an einer Art Hologramm-Skype. Es nennt sich „Holoportation" und soll bereits zum Ende dieses Jahres auf den Markt kommen.
Fest steht aber, dass Hologramme und die technische Möglichkeit, bereits verstorbene Schauspieler beliebig reproduzieren zu können, moralische und ethische Fragen aufwirft. Auch, wie wir Kunst in Zukunft verstehen wollen. Bereits vor 1935 setzte sich damit der Philosoph Walter Benjamin in seinem Essay „ Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit " auseinander. Damals ging es zwar um das Aufkommen der Fotografie und des neuen Mediums Film - seine Aussagen geben aber auch in Sachen Hologramm und Geisterschauspielern zu denken.
Zusammengefasst geht es bei Benjamin darum, dass durch massenhafte Kopien eines originalen Werkes die „Aura" eines Kunstwerkes, also das, was es zu etwas Besonderem und Erlebbarem macht, verloren gehe. Das Kollektiv, also die Zuschauer, nehmen es anders war, Medien verändern so ihre soziale Funktion und ließen sich eher für andere Zwecke missbrauchen. Benjamin lebte zu dieser Zeit im Pariser Exil und sah seine These im Aufstieg des Faschismus bestätigt.
Auf einer nicht ganz so politischen Ebene kann das Theorem aber auch für die digitalen Schauspielerkopien 80 Jahre später gelten. Früher endete mit dem Tod eines Künstlers seine Karriere. Mit etwas Glück hatte man noch einige Aufnahmen, aber mehr gab es eben nicht.
Mit den neuen technologischen Möglichkeiten wird auch das „Neue" mit alten Bekannten immer selbstverständlicher. Eine Schauspielkarriere lässt sich theoretisch unendlich lange fortsetzen. Wer weiß, wie oft wir Carrie Fisher noch in „Star Wars" sehen werden. Oder ob Freddie Mercury bald auch als Hologramm auf der Bühne tanzt? Bestimmt.