Walldorf. „Homöopathie & Co. - eine Alternative zur Medizin?": Auf diese Frage gab das Diskussionsforum „Punktsieben" der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf eine eindeutige Antwort. „Was sagt der Blick auf die Fakten?", fragte Ralf Tolle für die Projektgruppe bei der Begrüßung und stellte als Referentin die Ärztin, Autorin und ehemalige Homöopathin Natalie Grams vor. Die Ärztin sprach aus eigener Erfahrung und wirkte dadurch umso überzeugender. Parallel zu ihrem Medizinstudium ließ sie sich in Homöopathie und traditioneller chinesischer Medizin ausbilden und eröffnete schließlich in Heidelberg eine Privatpraxis für Homöopathie. „Ich habe gemeint, das ist was Gutes, nicht nur als Alternative oder Ergänzung, sondern als eigentliche Medizin."
Zur Skeptikerin wurde Natalie Grams erst, nachdem Journalisten für eine Recherche kritisch bei ihr nachgefragt hatten. Als deren Buch „Die Homöopathie-Lüge" erschien, war sie empört und wollte erst eine Erwiderung schreiben. Doch dann begann Grams, sich intensiver mit den geäußerten Kritikpunkten auseinanderzusetzen. Heraus kam das Buch „Homöopathie neu gedacht: Was Patienten wirklich hilft", das 2015 erschien und viel beachtet wurde. Mit bewundernswerter Konsequenz wandte sich die Ärztin von der Homöopathie ab, schloss ihre gut gehende Praxis und ist seither als Autorin und Referentin sowie in verschiedenen Organisationen aufklärerisch aktiv. Inzwischen ist auch ihr zweites Buch erschienen: „Gesundheit! - Ein Buch nicht ohne Nebenwirkungen".
„Wir können die Naturgesetze erkennen und beschreiben, aber wir können uns nicht über sie hinwegsetzen", so Natalie Grams. Eine Wirkzunahme von Stoffen durch sogenannte Potenzierung (Verdünnung) widerspreche den bekannten Naturgesetzen. So sei die Homöopathie auch keine Naturheilkunde, da die Präparate keine physisch wirksamen Bestandteile von Pflanzen mehr enthielten. Mit der Homöopathie sei vor 200 Jahren die Idee entstanden, dass materielle Stoffe nur störten und es einen immateriellen, energetischen Anteil gebe. „Doch ein Wirkstoff, der nicht mehr da ist, kann keine Wirkung auf den Körper haben - das war für mich die bittere Erkenntnis."
Als Patientin erinnere sie sich an eigene gute Erfahrungen mit der Homöopathie, berichtete die Referentin. Wie aber kommt es zu solch einer Selbsttäuschung? Ihre Antwort: „Wir verlassen uns auf Einzelerfahrungen und neigen zu Denk- und Wahrnehmungsfehlern - auch beim Erinnern." Laut Natalie Grams lässt sich die tatsächliche Wirksamkeit medizinischer Behandlungen mit wissenschaftlichen Methoden in aufwendigen Studien nachweisen. Bei der Homöopathie sei noch kein derartiger Nachweis gelungen, stattdessen lieferten Fallstudien ein verzerrtes Bild. Häufig werde auf Einzelerfahrungen verwiesen, die wenig aussagekräftig seien, nach dem Motto: „Aber mir hat es geholfen!" Wie vielen die Behandlung nicht geholfen hat, bleibe dabei offen.
Und was sind die Gefahren, wenn man sich täuscht und aufs falsche Pferd setzt? Hier hänge die Beurteilung sehr davon ab, um welche Erkrankung es sich handele, betonte Natalie Grams. Beispiel: grippaler Infekt. Die Ärztin zeigte den natürlichen Heilungsverlauf ohne Behandlung und legt zum Vergleich die Kurve der mit Homöopathie behandelten Patienten darüber. Beide Kurven kommen weitgehend zur Deckung. Daran machte sie anschaulich: Die allermeisten Erkrankungen heilen von allein. Fazit: „Wir sollten nicht den Globuli dankbar sein, sondern unserem Immunsystem." Weit kritischer - nämlich als falsche Heilsversprechen und unterlassene Hilfeleistung - bewertet Grams die alternativmedizinische Behandlung in Fällen, in denen der Körper sich nicht selbst helfen kann, etwa bei Brustkrebs. Homöopathie sollte auch nicht vorgeschriebene Impfungen ersetzen, betonte sie. Zudem wirke sie oft als „Einstieg in den Ausstieg" und untergrabe das Vertrauen in die etablierte Medizin.
Natalie Grams schlug in Walldorf aber auch versöhnlichere Töne an. Bei bestimmten Beschwerden wie Rückenschmerzen könne schon das Gefühl, gut behandelt zu werden, helfen - der bekannte Placeboeffekt. Und sie räumte ein, dass die Medizin auch etwas von den Homöopathen lernen könne. Zum Beispiel, wie man sich Zeit nimmt und einfühlsam auf Patienten eingeht, ohne sie auf einzelne Symptome zu reduzieren. Die große Verbreitung der Methode zeige, dass diese Zuwendung einem Bedürfnis vieler Menschen entgegenkomme.