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Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt?

„Werkstattgespräche“ geben Impulse für die Allianz Industrie 4.0

 

Stuttgart/Rhein-Neckar. Wie lässt sich Digitalisierung von den arbeitenden Menschen mit gestalten? Zu dieser Frage hatte ein Netzwerk um die Gewerkschaft IG Metall während eineinhalb Jahren rund 70 Workshops und Veranstaltungen in Betrieben durchgeführt und Handlungsempfehlungen entwickelt. Ergebnisse dieser „Werkstattgespräche“, die in den Landesdialog der „Allianz Industrie 4.0“ einfließen sollen, stellten die Beteiligten jetzt im Haus der Wirtschaft in Stuttgart vor.

   Es sei wichtig, dass sich die Betriebe so rechtzeitig aufstellen, dass sie nicht von der Entwicklung überrollt werden, machte Ulrike Zenke von der IG Metall Heidelberg deutlich und ergänzte: „Ohne die Betriebsräte wird es nicht funktionieren.“

Mit ihnen habe man eine spannende Debatte von unten nach oben begonnen, berichtete Welf Schröter, Leiter des Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg und Mitbegründer der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg. „Das ist ein offener Prozess, der für beide Seiten nur erfolgreich sein kann wenn es einen transparenten Dialog und Fairness im Umgang gibt“, betonte er.

   Für die vom Wirtschaftsministerium getragene Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg, in der rund 60 Organisationen vertreten sind, sprach die Leiterin der Koordinierungsstelle Katharina Mattes. Baden-Württemberg als eine der innovativsten Regionen weltweit wolle bei der Entwicklung auch kleine und mittlere Betriebe mitnehmen, sagte sie. Im Schuljahr 2016/17 seien zudem 16 Lernfabriken 4.0 eingerichtet worden. An diesen Modellen könnten Berufsschüler, aber auch Mitarbeiter ausgebildet werden.

   „Manche Betriebe meinen, ein bisschen Smartphone und Tablet sei schon 4.0“, bemerkte Schröter. Die „nachholende Digitalisierung“ reiche nicht. Vielmehr gehe es darum, den virtuellen Raum zu automatisieren, was mit einer Entgrenzung der Betriebe einhergehe. Entsprechend müsse man Mitbestimmung prozessorientiert entlang der Wertschöpfungskette neu organisieren. Es gebe nur grobes Wissen über die Entwicklung und nur wer vorausschauend denke habe eine Chance, die Entwicklung mitzugestalten.

   Schröter rät, Zielvereinbarungen zu formulieren und auf dem Weg dorthin zu experimentieren, denn: „Wenn ich nicht weiß wo die Kurve ist, wo soll ich dann die Leitplanke hinsetzen?“ Es sei wichtig, frühzeitig zu sozialen Standards zu kommen. Denn längst ließen Konzerne auf Internetplattformen ein wachsendes Heer von "Arbeitern auf Abruf", Crowdworker genannt, für wenig Geld um Aufträge konkurrieren. „Der Wandel in den Betrieben ist erst dann nachhaltig, wenn es strukturelle Reformen in der Gesellschaft gibt“, machte Schröter klar.

   Für die Firma Festo Didactic GmbH & Co. KG, von der die Lernfabrik 4.0 stammt, sprach Betriebsratsvorsitzender Georg Falke. Der gelernte Lehrer will Beteiligungsmöglichkeiten schon in der Berufsausbildung vermitteln und den Lehrplan an den Schulen um die Themen Arbeitsgestaltung und Mitbestimmung erweitern. Die Geschäftsstelle der IG Metall sei ein wichtiger Ort, wo sich Betriebsräte aus verschiedenen Branchen träfen und zwischen den Betrieben ein Austausch stattfinde.

   Dr. Rupert Felder, Leiter Human Resources der Heidelberg Gruppe der Heidelberger Druckmaschinen AG und Mitglied des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, sprach sich für eine enge Zusammenarbeit aus. „Wir sind in keinster Weise auseinander“, sagte er und ermunterte die Betriebsräte: „Es ist wichtig, die Ansprüche fundiert zu formulieren und sich mit uns gemeinsam auf den Weg zu machen.“

   Felder beschrieb die Herausforderungen durch den Strukturwandel in der Druckindustrie, in der die Zahl der Druckaufträge um ein Prozent gestiegen und zugleich die der Druckereien um fünf Prozent gesunken sei. Der Kunde gehe nicht mehr zum Drucker im Ort, sondern ins Internet. „Wir können jede unserer Druckmaschine auf der Welt ansteuern und sehen was da läuft“, sagte er. Doch das scheint kaum noch nötig. Wenn eine Maschine neue Farbe oder Servicetechniker benötige, bestelle sie die selbständig, so der Personaler.

   Das Arbeitsrecht und die Betriebsverfassung werden sich weiter entwickeln müssen, ist Felder überzeugt. Denn wenn es in der digitalen und globalisierten Welt der autonomen Prozesse einen Konflikt gebe, werde man kaum zum Amtsgericht nach Wiesloch gehen können.

 

Info: Weitere Informationen zum Thema unter www.blog-zukunft-der-arbeit.de