Die Zeit, Modernes Leben, Dezember 1996 - Montag. Er ist schon da. Jeden Morgen, wenn ich die Vorhänge aufziehe, ist er schon da. Er ist immer vor mir da. Er macht keine Pausen.
Nie. Einmal saß er sogar noch an seinem Schreibtisch, als ich abends ins Theater gegangen bin. Er sitzt mit dem Rücken zur Wand.
Einer Glaswand. Sie ist mein direktes Visavis. Ich wohne in der dritten Etage. Er arbeitet in der dritten Etage. Mehr als achteinhalb Stunden täglich. Er trägt abwechselnd blaue und weiße Hemden.
Was tut er den ganzen Tag? Ich beschließe, morgen vor ihm da zu sein. Ich werde am Fenster sitzen und ihn beobachten.
Dienstag. Als er kommt, ist es 8.14 Uhr. Er ist nicht der erste in seinem Büro. Er zieht sein Jackett aus, hängt es über seine Stuhllehne. Heute trägt er ein weißes Hemd. Er setzt sich an seinen Schreibtisch, schaltet den Computer ein, sortiert Unterlagen.
Er beugt sich über seine Papiere. Dann telephoniert er. Ziemlich ausführlich. Er gestikuliert dabei. Nachdem er aufgelegt hat, steht er auf und geht langsam, sehr langsam, ins Nebenzimmer - hinkt er? Nach wenigen Minuten setzt er sich wieder an seinen Schreibtisch, blättert in Papieren, liest, blättert.
Ein grauhaariger Mann kommt zu ihm. Sie sprechen lange. Der Grauhaarige erhebt mehrmals seinen linken Zeigefinger, die rechte Hand in der Hosentasche. Der Mann im weißen Hemd hat sich in seinem Stuhl zurückgelehnt. Er hört zu. Als der Grauhaarige geht, ist es 10.15 Uhr.