„Ach, Sie gehen den Malerweg?" Ein Blick auf den Titel meines kleinen Reiseführers hat den zwei Wanderinnen verraten, was der Zweck meiner Unternehmung hier am Liebethaler Grund ist. „Also, der ist wirklich sehr schön", schwärmen die beiden in sächsischem Lokalkolorit. „Und zwar alle Etappen."
Ein solches Urteil aus einheimischem Munde zu hören, schürt meine ohnehin vorhandene Vorfreude. Denn ihre Lobrede reiht sich ein in den hymnischen Reigen, der rund um den Malerweg und die Sächsische Schweiz gesungen wird. „Ein Märchen aus Stein" sei die Region, so steht es in den Werbebroschüren. Das Wandermagazin kürte den Malerweg vor einiger Zeit gar zur schönsten Wanderroute Deutschlands – aufgrund der „einzigartigen Naturlandschaft des Elbsandsteingebirges" und des „kulturellen Hintergrunds", wie es zur Begründung hieß.
Dass an den Vorschusslorbeeren etwas dran ist, ahne ich bereits jetzt, nicht mal eine Stunde nach meinem Aufbruch von Liebethal. Eben noch, unten im Grund, rauschte die Wesenitz neben mir, erhoben sich dunkel verwitterte Felsmassive zwischen den Bäumen, ragte gebieterisch ein Denkmal für Richard Wagner auf, der in der Schlucht die Grundzüge seiner Oper „Lohengrin" geschrieben haben soll. Ein Vorgeschmack ist das auf jene Verschmelzung von Wildnis und Theatralik, von Szenerie und Kunst, die mich in den kommenden acht Tagen erwarten wird. [...]