Vier Terroranschläge in zwei Wochen: In Beer Sheva erstach ein Terrorist vier Menschen vor einem Einkaufszentrum. In Hadera töteten Terroristen zwei Menschen. In Bnei Brak erschoss ein Terrorist von einem Motorrad aus fünf Passanten. In Tel Aviv ermordete ein Terrorist vor einer Bar drei Menschen. Und wieder waren Bilder zu sehen von vermummten Männern, die zur Feier des Anschlags in Ramallah Süßigkeiten verteilen.
Auf tageschau.de war zu lesen: „Nach Polizeiangaben hat ‚ein Terrorist' das Feuer eröffnet." Terrorist, immerhin, aber in Anführungszeichen. Wer denn sonst als ein Terrorist verübt einen Terroranschlag? Der BR titelte „Kneipen-Schießerei in Tel Aviv: Mutmaßlicher Täter erschossen". Kneipen-Schießerei, das klingt nach Streit in einem Western. Ebenfalls „interessante" Titel hatten „Guardian" und Reuters zu bieten: „Israeli forces kill Palestinian after Tel Aviv shooting leaves two dead" und: „Israeli forces shoot dead Palestinian after Tel Aviv bar attack". Das klingt so, als hätten die Sicherheitskräfte kaltblütig und wahllos einen Palästinenser auf der Straße erschossen. Und teilt nicht mit, dass sich der Terrorist mit den Sicherheitskräften noch ein Gefecht lieferte und dabei erschossen wurde. Dafür müsste man den Bericht ganz lesen.
Beim Thema Israel-Palästina fahrlässigIst das Schludrigkeit? Kann das mal passieren, auch wenn es fahrlässig ist beim Thema Israel-Palästina, zu dem jeder eine Meinung, von dem aber kaum jemand Ahnung und mancher ein antisemitisch gefärbtes Halbwissen hat? Oder bedienen sich diese Überschriften der altbekannten Schablone vom Aggressor Israel und dem armen Opfer Palästina - und was nicht dazu passt, wird passend gemacht? Dabei gibt es sogar den handlichen 3-D-Test, ein guter Indikator dafür, ob es sich um gerechtfertigte Kritik handelt oder doch um israelbezogenen Antisemitismus: Dämonisierung, Doppelstandard, Delegitimierung.
Palästinenser scheinen im Übrigen nur von Interesse zu sein, wenn es um Israel geht. Oder können Sie sich an Solidaritätskundgebungen erinnern, als das Assad-Regime 2013 das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk einkesselte, 18.000 Menschen, darunter 3500 Kinder, aushungerte und mit Fassbomben bewarf, bis Jarmuk den Beinamen „die Hölle auf Erden" bekam?
Auch gerne vergessen: die Situation der Palästinenser in Libanon. Palästinenser gelten dort bis heute als Staatenlose. Selbst wenn der Urgroßvater 1948 nach Libanon gekommen ist, wird sein Flüchtlingsstatus vom Vater zum Sohn, zum Enkel und Urenkel vererbt. Sie dürfen nicht als Arzt arbeiten, nicht als Ingenieur, Anwalt, Friseur oder Taxifahrer.
Palästina-Flüchtlinge werden in rechtlosem Limbo gehaltenIhnen bleiben schlecht bezahlte Jobs, die Libanesen nicht wollen, auf dem Bau und in der Landwirtschaft. Die Alternative dazu ist Schwarzarbeit. Palästinenser dürfen in Libanon kein Land kaufen, weshalb viele in den Flüchtlingslagern leben, in denen die UNWRA, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, ihre Dienste anbietet. Warum sie in diesem rechtlosen Limbo gehalten werden, hat viele Gründe. Die Palästinenser werden in Libanon von der UNRWA versorgt. Sowohl die UNRWA als auch Libanon nutzen den Flüchtlingsstatus der Palästinenser, um auf das in der UN-Menschenrechtscharta verankerte „Recht auf Rückkehr" zu pochen. Eine Rückkehr aber ist in der aktuellen Lage mehr als unwahrscheinlich. Diese Festsetzung der Palästinenser sichert Libanon nebenbei billige Arbeitskräfte.
Antisemitismus ist in Syrien wie in Iran Staatsdoktrin. Es geht diesen Staaten um Judenhass, nicht um die Palästinenser, auch wenn sie sich immer wieder als deren Schutzmacht inszenieren. Das hat weder Assad daran gehindert, die Palästinenser in Jarmuk zu massakrieren, noch Iran und seine kleine libanesische Schwester Hizbullah dazu bewogen, sich zum Beispiel für eine Arbeitserlaubnis der Palästinenser einzusetzen. Nicht besser sieht es bei den Kunst-und-Kultur-Antisemiten vom BDS aus. Auch hier interessiert man sich kaum für die Palästinenser in Jarmuk und Burj Barajneh. Selbst die UNRWA, die ja eigens dafür geschaffen worden ist, die Not der Palästinenser zu lindern, steht oft ihrer Integration in den umliegenden Staaten im Weg. Sie ist zudem für ihre antisemitischen Schulbücher bekannt und ließ zu, dass die Hamas ihre Schulen in Gaza als Raketendepot nutzte.
Deutschland unterstützt die UNRWAIm Februar sagte Annalena Baerbock bei ihrer Nahostreise: „Israels Sicherheit ist und bleibt Staatsräson." Sie traf sich aber auch mit dem UNRWA-Generalkommissar und sicherte zu, die Bundesregierung werde die UNRWA mit acht Millionen Euro unterstützen. Von Bedingungen war bis jetzt nicht die Rede.
Zurück zu den Terroranschlägen. Sie werden ja meist als Teil des Nahostkonflikts verbucht. Die Terroristen von Hadera bekannten sich zum IS. Bei Konflikten aber geht es um unterschiedliche Parteien, die unterschiedliche Interessen vertreten, mitunter auch gewaltsam. Manches, was als Konflikt gedeutet wird, ist jedoch eigentlich Vernichtungswille. Bei den Anschlägen auf Zivilisten geht es darum, möglichst viele Juden zu töten. Das ist kein Konflikt, das ist antisemitischer Terror.
Die oben genannten Medienhäuser haben ihre Überschriften übrigens noch einmal korrigiert. Gut so.