Von Zeit zu Zeit frage ich mich: Was macht Eva gerade? Besonders an Tagen wie diesen, ich sitze am Schreibtisch fest, draußen ist es kalt und immer noch Corona. Letzten Winter war Eva in Pakistan, den Lockdown 2020 verbrachte sie auf Sokotra, Jemen.
Eva ist eine gewöhnliche Frau, gewöhnlich hübsch, intelligent, gewöhnlich langweilig oder auch authentisch, wie Eva gerne sagt. Eva, selbsterklärter Bücherwurm, hat nach eigenen Angaben Sprachen in Oxford studiert, im EU-Parlament und in London gearbeitet. Obwohl es ihr materiell an nichts fehlte, war sie unglücklich, und so hat sie, wie immer in diesen Geschichten, ihren Job gekündigt und ist full-time Urlauberin geworden. Heute hat sie 668.000 Follower auf Instagram, 1,33 Millionen Abonnenten auf Youtube und ein Team, das für sie arbeitet. Ihr Geld verdient sie mit Werbeeinnahmen auf Youtube, Werbekooperationen, Eva ist Influencerin. Und sie produziert Videos für DW Travel oder den Erdogan-Propaganda-Sender TRT World. Eva lacht viel in die Kamera, posiert in schönen Landschaften, lernt locals kennen in Saudi-Arabien, Iran, in der Türkei, in Syrien.
In „Syria through the eye of a female traveller" sieht man Eva auf dem Markt Tamarinden-Saft trinken, sich über die syrische Gastfreundschaft freuen. Man sieht sie Eis essen, sich wundern, dass Damaskus so anders ist als in den „globalen Medien" oft gezeigt, nämlich „full of life and colorful"! Man sieht Eva durch Straßen schlendern, durch die zerstörte Altstadt von Aleppo und den Suq, mit atmosphärischem Geklimper untermalt, und hört sie, den Tränen nahe, Dinge sagen wie „I'm shocked" und „Whatever our political views are". Dann wird es deep: „We live and we build. And we continue to live and rebuild." Eva freut sich, wenn sie etwas Schönes sieht, zum Beispiel einen Handwerker zwischen den Ruinen, der „trotz alledem lächelt".
Agenturen bieten Syrien-Urlaub anEva spricht nebulös von Krise, Tragödie oder Krieg, wie auch das Assad-Regime von Krise, Krieg und Tragödie spricht, so als wäre der Krieg einfach so vom Himmel gefallen. Es ist alles ganz traurig. Eva findet kaum Worte. Dann ist sie schon wieder beim Street Food. Eva zählt Orte auf, die sie besucht hat. Saydnaya ist auch dabei, wo sich auch dieses berühmte Gefängnis befindet, in dem bis heute gefoltert und gemordet wird, was Eva aber nicht erwähnt.
Eva ist nicht die einzige Syrienreisende. Da ist auch David, der alle Länder dieser Welt besuchen will, außer Israel. Und der es okay findet, nach Syrien zu reisen, weil: sonst dürfte man ja auch nicht in die USA. Die sei ebenso ein Regime, wie er eine syrische Menschenrechtsorganisation auf Instagram wissen lässt. Da ist Jacob, der auf Youtube Tipps für die gelungene Syrienreise gibt: Bargeld mitnehmen, keinen israelischen Stempel im Pass, nicht Journalist sein, sich nicht aufregen, wenn die Leute viel rauchen, und sich nicht wundern, wenn die Araber mal laut werden, die sind nur temperamentvoll. Da ist Jay, der in den Ruinen von Aleppo zu Geigenmusik Sätze sagt, die auch Eva schon gesagt hat, und seufzt: „Es ist so schwer für mich, zu erklären, was ich gerade fühle."
Es kann ja nicht jeder Travel-Blogger auf den Malediven werdenAllein in Berlin gibt es zwei Agenturen, die Urlaub in Syrien anbieten. Soviet tours: Reise in die Wiege der Zivilisation ohne Angst und Vorurteile; und rocky road travel, die meinen, dass Urlaub in Syrien ethisch vertretbar wäre, wie auch in Italien oder Frankreich, und mit Tourismus würde man den Syrern in harten Zeiten helfen. Genau genommen aber hilft man dem Regime, denn das ist pleite. Der Krieg war teuer, alles ist kaputt, und Tourismus spült Devisen in die Assad-Kassen. Tourismus ist Teil seiner Normalisierungsstrategie. Man braucht sich nur die Bemühungen des Tourismus-Ministeriums anzusehen. 2020 nahm Syrien an der Tourismusmesse in Madrid teil.
Im Gegensatz zu anderen edgy Travellern, die sich damit rühmen, harte Knochen zu sein, ist Eva Krisentouristin in woke. Auf Instagram empfiehlt sie Antirassismus-Bücher, schreibt darüber wie schwer es „Poc-Travellers" hätten, und gelobt, ein besserer „ally" für von Rassismus betroffene Menschen zu sein. Sie teilt Infografiken zu „What's going on in Afghanistan" und nachhaltigem Reisen. Sie will mehr sein als nur Reise-Bloggerin. Sie posiert vor dem Fake-Ishtar-Tor im Irak und beschwert sich über die Kolonialmächte, die das Original geklaut haben, ohne zu erwähnen, dass sie sich gerade mitten im Ishtar-Disneyland befindet, das sich der Massenmörder und selbst ernannte Nebukadnezar-Nachkomme Saddam Hussein bauen ließ.
Eva sagt, sie sei privilegiert, viele Syrer könnten nicht mal nach Syrien reisen. Und sie rät zukünftigen Syrienreisenden, ihre eigenen Privilegien zu checken. Nachhaltig, gemeinwohlorientiert zu reisen, ist Eva wichtig. Man kann das so verstehen: „Ich war bei Assad zu Hause, aber habe bio und saisonal gegessen." Eva heißt tatsächlich Eva, könnte aber auch anders heißen. Einmal gibt sie Tipps für angehende „content-creators" wie sie: „Finde deine Nische". Urlaub in Diktaturen als Unique-Selling-Point. Es kann ja nicht jeder Travel-Blogger auf den Malediven werden. Ob man Eva folgt, weil man sie cool findet, oder ihr folgt, um sich über sie zu echauffieren - Followers zahlen sich aus. Scheint so, als hätte Eva ihre Nische gefunden.