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Nicolás Maduros dreckiger Sieg

Lässt sich von seinen Anhängern feiern: der neue und alte venezolanische Präsident Nicolás Maduro. (Foto: REUTERS)

In Venezuela feiert Präsident Maduro seinen Wahlerfolg. Herausforderer Falcón erkennt ihn wegen Stimmenkaufs nicht an. Die verfahrene Situation gewinnt an Dynamik, denn ein Teil der Opposition hat große Pläne.

Von Roland Peters, Caracas

Der sozialistische Präsident lässt sich für einen historischen Wahlsieg feiern, die Opposition sammelt ihre Kräfte. Amtsinhaber Nicolás Maduro hat 68 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen können, wie das nationale Wahlkomitee CNE angab. Das Abstimmungsergebnis soll ihn für eine weitere sechsjährige Amtszeit bis 2025 legitimieren. Der gemäßigte Chavist und Herausforderer Henri Falcón kam auf 21 Prozent der Stimmen, Javier Bertucci auf 11 Prozent. Das CNE gilt nicht als unabhängig, sondern als regierungstreu.

Maduro rief bei seiner Siegesrede in Caracas die beiden unterlegenen Kandidaten zur Zusammenarbeit auf. Beide hatten jedoch schon vor der Bekanntgabe des Ergebnisses die Wahl für ungültig erklärt und eine Neuansetzung im Oktober gefordert. "Für uns hat diese Wahl nicht stattgefunden", sagte Falcón. Maduro kommentierte in seiner Rede, die Entscheidung seines Widersachers sei "respektlos" und die Wahl "makellos" gewesen. Im Regierungspalast von Miraflores versprach er seinen Anhängern die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und bezeichnete Venezuela als "Garantie der politischen Stabilität Südamerikas". Im vergangenen Jahr betrug das Haushaltsdefizit des Landes 21,2 Prozent. Die Hyperinflation erstickt die Ökonomie.

Die Wahlbeteiligung war so gering wie nie zuvor. Nur 46 Prozent der 20 Millionen Wahlberechtigten stimmten für einen Kandidaten ab. Maduro erhielt nur 5,8 Millionen Stimmen. Im Jahr 2013 waren es bei einer Beteiligung von rund 80 Prozent noch 7,5 Millionen gewesen. Das Parteienbündnis MUD und andere hatten sich auf keinen Kandidaten einigen können und boykottierten den Urnengang. Sie ermöglichten Maduro den Sieg, da die Stimmen für ihn viel mehr ins Gewicht fielen. Der PSUV-Chef kann sich auf einen harten Wählerkern von etwa 25 Prozent der Wahlberechtigten verlassen.

Im Stadtviertel Chacao, einer Hochburg der Oppositionellen, wurden viele Wahllokale kaum genutzt. In einkommensschwächeren Stadtteilen wie Petare war es die Aussicht auf ein finanzielles Wahlgeschenk, das Wähler an die Urnen trieb. Die Menschen im Arbeiterbezirk leiden unter Hunger. "Vom Mindestlohn kann ja niemand leben", klagt am Plaza El Cristo de Petare ein älterer Mann. "Ich habe gehört, es soll 3,5 Millionen Bolivares von Maduro geben." Andere rechnen mit bis zu 10 Millionen Bolivares. Der monatliche Mindestlohn beträgt 1 Million Bolivares, rund 1 US-Dollar. Dafür sind zwei subventionierte Warenpakete zu bekommen. Weitere 1,5 Millionen Bolivares werden über die sogenannte Heimatkarte ("Carnet de la Patria") ausgezahlt.

Wahlbeobachter: "Sie hätten die Stände schließen müssen"

Um das versprochene Geschenk des Präsidenten zu erhalten, mussten sich Kartenbesitzer an Ständen der sozialistischen Regierungspartei PSUV in Listen eintragen. Solche Registrierposten in unmittelbarer Nähe von Wahllokalen sind in Venezuela verboten. Sie könnten Wähler bei ihrer Entscheidung beeinflussen. Doch das Militär, während der Wahl für die Sicherheit zuständig, setzte das Verbot nicht durch. "Sie hätten die Stände schließen müssen, halfen aber stattdessen als Ordnungsdienst", sagte der Direktor der venezolanischen Wahlbeobachtungsorganisation OEV zu n-tv.de. Insgesamt 300.000 Soldaten waren landesweit im Einsatz. Verteidigungsminister Wladimir Padrino López bezeichnete den Wahltag als "erfolgreich" und sprach vom "besten Wahlsystem der Welt".

Das Militär hat sich mit Maduro verbündet, weil es von seiner Präsidentschaft profitiert. López ist zugleich Kopf der "Gran Misión de Abastecimiento". Das Gremium überwacht die nationale Lebensmittelproduktion und bereichert sich mutmaßlich daran, indem es sich einen Teil preisregulierter Erzeugnisse aneignet und für wesentlich mehr Geld auf dem Schwarzmarkt verkauft. Die "Gran Misión" ist auch für die Verteilung von Warenkörben verantwortlich, doch statt alle zwei Wochen, kommen sie nur unregelmäßig oder gar nicht bei bedürftigen Familien an. Im vergangenen Jahr litten 15 Prozent der Menschen in Venezuela an Unterernährung, gibt die Menschenrechtsorganisation Provea an. An den Ständen vor den Wahllokalen hoffen die Menschen auf Boni, die ihren Hunger lindern. Am Wahltag kamen jedoch nur SMS mit einer Danksagung an, keine Bolivares.

Gegenkandidat Falcón begründete seine Forderung nach einer Neuwahl deshalb mit Wählerbestechung: Die Regierung böte den Menschen über die Stände Geld für ihre Stimme an. Wahlbeobachter der OEV sagten n-tv.de, solche Registrierposten habe es vor mehr als 80 Prozent der Wahllokale gegeben. Falcón sprach von Verfassungsbruch. Zehntausenden seiner Wähler sei der Zugang zu ihrem Wahllokal verwehrt worden. Die Heimatkarte sei zudem durch den Staat bezahlt und im Wahlkampf eingesetzt worden. Maduro entgegnete in seiner Rede, die Karte werde verteufelt, sei aber "Schutzsystem für das Volk".

"Das ist doch fantastisch"

José, 32 Jahre alt, kurzgeschorene Haare, steht im weißen Maduro-Shirt an einer Hauptstraße in Petare. Er kann die Aufregung um die Heimatkarte nicht verstehen. "Meine Mutter hat noch nie gearbeitet, aber sie bekommt dieselbe Mindestrente wie alle anderen auch. Das ist doch fantastisch", sagt der Chavista. Ohne die Karte erhielte die 66-Jährige ihre Leistungen nicht. "Falcón würde uns die Karte wegnehmen", ist José überzeugt.

Insgesamt sechs Millionen Venezolaner haben sich laut Regierung für die Heimatkarte registrieren lassen und beziehen darüber Sozialleistungen. Eine riesige Überwachungsdatenbank sei entstanden, kritisieren Oppositionelle. Die Regierung speichere neben dem Namen auch Adresse, Handynummer, Profile in sozialen Netzwerken und Wahlverhalten. Mit diesem Wissen könne dann Druck ausgeübt werden.

Die USA, Kanada und die EU hatten angekündigt, die Wahl in Venezuela nicht anzuerkennen, weil sie weder frei noch fair sei. Maduros frühere Hauptkonkurrenten Leopoldo López und Henrique Capriles waren nicht zugelassen. Viele Oppositionelle befinden sich im Exil, wie auch der gesamte Oberste Gerichtshof. Der war ins kolumbianische Bogotá geflohen, weil Maduros Regierung mit der Festnahmen aller Richter gedroht hatte. Am vergangenen Dienstag erklärte der venezolanische Exilgerichtshof die Wahlansetzung für ungültig.

Nach seinem Sieg rief Maduro zwar zum Dialog auf, aber der findet möglicherweise bald ohne ihn statt. Das Parteienbündnis Frente Amplio, was sich im März vom MUD abgespalten hatte, boykottierte die Wahlen ebenfalls und will die Entmachtung Maduros erreichen. In einem Aufruf am Wahlabend schrieb das Bündnis vom "Ausweg aus der Diktatur". Daran sollten die beiden unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Falcón und Bertucci mit weiteren oppositionellen Kräften "Hand in Hand" arbeiten.


Quelle: n-tv.de

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