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China macht sich im Hinterhof der USA breit

Lima kurz vor dem Gipfel. (Foto: REUTERS)

Die USA unter Präsident Trump zeigen nicht viel Engagement für Lateinamerika - außer es geht um Immigration, Sozialismus und Öl. Seine Teilnahme am OAS-Gipfel hat er abgesagt. China pumpt indessen Milliarden Dollar in den Kontinent.


Von Roland Peters, Lima


Die Einladung der chinesischen Regierung kommt unvermittelt. Ob er in einem Monat nach Peking, Hangzhou und Schanghai kommen wolle? Rodrigo*, wie die anderen der Reisegruppe aus Lateinamerika und unter 40 Jahre alt, nimmt an. Die Kommunistische Partei Chinas organisiert und bezahlt alles, warum nicht? Also fliegen Nachwuchsjournalisten, -politiker und Jungunternehmer nach Asien. Nach dem Besuch in der Verbotenen Stadt folgt ein zweiwöchiger Terminmarathon: Besuche in Unternehmen, Treffen an Universitäten, Abendessen mit Parteifunktionären.

Für China gehört Rodrigo zu einer der zukünftig einflussreichsten Personen Lateinamerikas. Also hatte Peking ihn mit 19 anderen Auserwählten aus Ländern wie Brasilien, Mexiko und Peru eingeladen. Seine Reise im April 2017 war bereits die dritte dieser Art. Das Reich der Mitte schult die mögliche zukünftige Elite der Region. Sie soll verstehen, wie die wirtschaftliche Großmacht tickt. Damit die Zusammenarbeit noch intensiver wird, als sie ohnehin schon ist.

Für manche Länder Südamerikas ist China bereits der wichtigste Handelspartner, wie für Peru, das Gastgeberland des derzeitigen Gipfels der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Der Handel Perus mit China hat sich vom Jahr 2010 bis 2017 nahezu verdoppelt, von 10,5 Milliarden auf 20,5 Milliarden Dollar. Der Handel mit den USA legte im selben Zeitraum nur um rund 25 Prozent auf 15 Milliarden zu. Den größten Sprung machten die Exporte nach China im ersten Amtsjahr von Donald Trump. Der US-Präsident hat bislang noch kein lateinamerikanisches Land besucht, sendet fortwährend protektionistische Signale und beschwert sich paradoxerweise zugleich über unfairen Handel. Die Region scheint ihn sonst nur zu interessieren, wenn es um Immigration, Sozialismus und Öl geht.

Einer der Gründe für die Zahlen der peruanischen Handelsbilanzen sind freilich Kupfer- und andere Rohstoffexporte aus dem Andenland, die das Reich der Mitte dringend für sein Wirtschaftswachstum braucht. In die andere Richtung fließen in dem Zusammenhang große Investitionen von Peking nach Peru, allein 10 Milliarden Dollar für das gigantische Kupferminenprojekt "Las Bambas", etwa 70 Kilometer von der Touristenhochburg Cusco entfernt. China hatte 2015 angekündigt, in den kommenden vier Jahren insgesamt 250 Milliarden Dollar in Lateinamerika direkt investieren zu wollen.

Desinteresse an der Region

China hat den "Hinterhof" der Vereinigten Staaten zum Bestandteil seiner Wachstumsstrategie gemacht. Die USA scheint dies nicht entscheidend zu stören. Symbolisch hätte etwa ein Schulterschluss des Präsidenten mit den anderen Staaten beim Gipfel in Lima sein können. Trump jedoch sagte seine Teilnahme ab, offiziell wegen des mutmaßlichen Giftgasangriffs in Syrien. An seiner Stelle kommt Mike Pence nach Peru, doch von Trumps Vize weiß niemand so recht, ob er überhaupt für etwas anderes als Händeschütteln und unverbindliche Appelle die Prokura des Weißen Hauses hat.

Trumps Absage wird rund um den Gipfel unterschiedlich aufgenommen. Oxfam und andere NGOs sagten in Gesprächen mit n-tv.de lapidar, damit bestätige Trump nur, was er schon in seiner kompletten bisherigen Amtszeit gezeigt habe: Desinteresse an der Region. In peruanischen Medien wird Trumps Abwesenheit eher als Chance gesehen - nun könne in Ruhe über das offizielle Hauptthema Korruptionsbekämpfung geredet werden. Eine Vertreterin des peruanischen Menschenrechtsdachverbands CNDDHH zeigte sich indes enttäuscht. Ohne bekannte Köpfe tendiere die ohnehin schon geringe Aufmerksamkeit für den Gipfel gegen null.

Trumps Tochter Ivanka befindet sich zwar bereits auf peruanischem Boden und ließ die Zeitung "El Comercio" gönnerhaft wissen: "America First bedeutet nicht Amerika allein." Doch die Realität der Region sieht etwas anders aus. Vor allem in Südamerika hat China die USA als verlässliches Exportziel ersetzt. Das Geld haben die Staaten bitter nötig: In Argentinien etwa werden geschätzt 40 Prozent der Arbeitsleistung nicht steuerlich erfasst, in Peru sind es sogar bis zu 80 Prozent. Das Steueraufkommen ist entsprechend gering und die Möglichkeiten der Staaten, mehr als nur das Nötigste zu finanzieren, ebenso; geschweige denn Sozialprogramme oder wichtige Infrastrukturprojekte. Dazu kommen Politiker, die öffentliche Gelder über den Umweg der Wirtschaft in die eigenen Taschen fließen lassen.

In diesem Zusammenhang ist es nicht ohne Ironie, dass der Gipfel gegen Korruption in Lima stattfindet. Dort trat vor rund drei Wochen Präsident Pedro Pablo Kuczynski wegen des kontinentalen Schmiergeldskandals um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht zurück. Auch er wusste um die Bedeutung Chinas. Als der Wirtschaftsliberale im Jahr 2016 ins Amt kam, war Peking sein erstes offizielles Reiseziel. Nachfolger Martin Vizcarra soll sich in der vergangenen Woche privat und ohne Berater mit einem chinesischen Investor getroffen haben.

Perus Wirtschaft sieht den wachsenden Einfluss des kommunistischen Landes positiv - es gehe darum, Geld zu verdienen und die Möglichkeit, dringend nötige Investitionen zu tätigen. Sein vormals schlechtes Image bei Arbeitsbedingungen und Umweltfragen habe China in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, heißt es. Ideologische Skrupel gebe es ohnehin nicht. An dieser Egal-Einstellung gibt es auch Kritik, die wohl ungehört bleiben wird: "Jeder redet über die Diktatur in Venezuela, über die in China niemand", klagt ein NGO-Vertreter.

*Name von der Redaktion geändert


Quelle: n-tv.de


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