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Das Rätsel leerer Flure im State Department

Rex Tillerson (l.) und Donald Trump - zwei Unternehmer, zwei politische Gebaren. (Foto: REUTERS)

Das State Department konzentriert seine Macht im siebten Stock, wo US-Außenminister Tillerson und unerfahrene Mitarbeiter sitzen. Trump führt Schwarze Listen, Personal ist schwer zu bekommen. Wer darf, der will nicht.

Von Roland Peters, Washington D.C.

Niemand, der etwas auf sich hielt, wollte für Donald Trump arbeiten. Die Experten gingen zu Jeb Bush, zu Marco Rubio, zu allen anderen Republikanern. Trump wollte ebensowenig, dass sie für ihn arbeiten. Im Vorwahlkampf schimpfte der Unternehmer, er brauche keine Experten, denn er sehe sie ja sonntags ohnehin schon im Fernsehen. Dies war Teil von Trumps Wahlkampagne.

"Ich bereue kein bisschen, dass ich unterschrieben habe", sagt einer von denen, die der US-Präsident noch heute öffentlich permanent herunterputzt. Jamie Fly ist aus Trumps Perspektive einer der Elite, des Sumpfes, des Establishments in Washington D.C., diese sich selbst erhaltende Blase aus Thinktanks, Wall Street, Anwaltskanzleien, Kongress und Ministerien. Fly arbeitete vier Jahre für George W. Bush. Dann gründete er einen Thinktank, wurde Sicherheitsberater von Marco Rubio und ging mit ihm in den Präsidentschaftsvorwahlkampf. Doch Rubio stieg aus dem Rennen aus. Da unterschrieb Fly einen dieser offenen Briefe gegen den Konkurrenten: Wir werden Trump nicht helfen, wir werden nicht für ihn arbeiten, hieß es darin.

Trump hat diese Briefe nicht vergessen. Wer seinen Namen darunter setzte, wird vom Weißen Haus systematisch von Posten ausgeschlossen. Es gebe Schwarze Listen mit Namen derer, die sich im Wahlkampf irgendwie offen gegen den Immobilien-Unternehmer aussprachen, heißt es in Washington D.C. von mehreren Seiten. Für manche habe schon ein kritischer Tweet am Wahltag gereicht. Im Februar wurden zudem mehrere altgediente Diplomaten gefeuert, ohne Nachfolger zu benennen. Zu spüren bekommen das auch außenpolitische Experten wie Jamie Fly, der nun beim German Marshall Fund sitzt und nicht im State Department.

Im Ministerium füllen sich die Flure auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Antritt des neuen Ressortchefs Rex Tillerson kaum. In Foggy Bottom, der nebligen Senke Washington D.C.s, ist die Verstörung unter den Altgedienten und Nachwuchskräften groß. "Nie war die Stimmung schlechter", zitiert "Foreign Policy" einen Ex-Diplomaten, der sechs Präsidenten lang im Ministerium arbeitete und im Januar in Rente ging. Die Macht über die Außenpolitik der USA konzentriert sich derzeit auf zwei Orte, und an beiden gibt es keine erfahrenen Diplomaten. Im Außenministerium sind Staatssekretär-Stellen unbesetzt, etwa für Schlüsselregionen wie Asien oder den Nahen Osten. Und im Weißen Haus sitzen Trump und sein relativ unerfahrenes Team.

Trump und Tillerson, Partner oder Gegner?


Tillerson will weniger Leute im Ministerium beschäftigen, Entscheidungswege verkürzen, Geld sparen, selbst führen und bestimmen. Der Minister denkt wie Trump als Unternehmer in finanzieller Effizienz. Der Ex-Exxon-Chef hat die Entscheidungsgewalt in den siebten Stock des State Department verlegt. Dort sitzen Tillerson und seine Berater vom Policy Planning Staff. Es ist die einzige Abteilung, die derzeit vergrößert wird, trotz Budgetkürzungen. Stand Ende Juli hatte vom dortigen Personal nur der Republikaner Brian Hook schon vor dem Machtwechsel im Ministerium gearbeitet. Alle anderen haben keine Erfahrung. Kontakte zum restlichen Haus gibt es laut "Foreign Policy" kaum. "Sie verstehen nicht, warum das State Department existiert - es ist einfach amateurhaft", wird ein Mitarbeiter zitiert.

Die Macht und der Einfluss auf die Außenpolitik verschiebt sich damit ins Weiße Haus. Vom Umbau des Ministeriums profitiert derzeit vor allem Trump, der seinen eigenen Ressortchef schon mehrfach ausmanövriert hat. Dass die dortigen Diplomaten kaum noch etwas zu sagen haben, reicht dem Präsidenten wohl nicht. Es gibt nicht viel, was Trump und Tillerson derzeit verbindet, und manche sagen sogar, sie seien inzwischen Gegner.

Der Chef des State Department versuchte etwa in der Katar-Krise mit einem diplomatischen Kraftakt zu vermitteln, reiste tagelang durch den Nahen Osten. Ein Tweet, in dem sich der Präsident auf die Seite Saudi-Arabiens schlug, zerstörte die Bemühungen. Als Trump mit seinen "Feuer und Zorn"-Drohungen gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un eskalierte, trat Tillerson umgehend vor die Kameras und musste beschwichtigen. Weiter westlich will Tillerson das mühsam verhandelte Atomabkommen mit dem Iran weiter als Druckmittel gegen die Islamische Republik einsetzen. Der Präsident sagt dagegen öffentlich, dass er es kündigen will.

Das Außenministerium soll nach Tillersons Vorstellung eine Maschine werden, die ihm zuarbeitet. Betrieben werden soll sie am Ende des Umbaus von etwa 50 bis 75 Beschäftigten, heißt es. Aber statt durch die Demontage erfahrener Diplomaten mehr Macht auf sich zu vereinen, hat sich der Ex-CEO zum Spielball von Trumps Launen gemacht. Der Minister muss mit einem unerfahrenen Team die Schäden diplomatisch reparieren, die Trump mit seinem impulsiven Verhalten anrichtet. Die Köpfe, die dafür am besten geeignet wären, wollen ihre Karriere nicht für Trump ruinieren. Sie warten lieber in Thinktanks und an der Wall Street auf den nächsten Wahlkampf. Und den nächsten Präsidenten.

Quelle: n-tv.de


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