Mir scheint, dass bei uns ein recht hermetisches parlamentarisches System entstanden ist. Wir haben unsere Demokratie zu lange Politprofis überlassen, deren Handlungen und Entscheidungen zu oft kosmetischen Charakter haben und von imagebildenden Werbestrategien getrieben zu sein scheinen. Die immensen Herausforderungen, mit denen wir als Gesellschaft aktuell konfrontiert sind, werden nicht entschieden angegangen, sondern in unerträglicher Weise aufgeschoben.
Es wundert mich nicht, dass sich immer mehr Menschen von den „Volksparteien" abwenden und politikverdrossen sind. Das Gegengewicht dazu bilden Bürger, die unsere Demokratie in vielfältiger Art und Weise neu erfinden, sei es durch provokante Aktionen, zu Ende gedachte positive Visionen oder kreative, mustergültige Alternativen. Sie schaffen unabhängige Institutionen, die zunehmend wirksam zivilgesellschaftliche Kontrolle ausüben.
Mehr denn je kommt es auf einzelne Menschen an, die sich von globalen und regionalen Problemen berühren lassen, ohne depressiv oder fundamentalistisch zu werden. Menschen, die den Mut haben der verzweifelten Lage von Mitmenschen real zu begegnen oder - um ein Thema unserer Stiftung aufzugreifen - sich den schmerzhaft stummen Frühling in ausgeräumten Ackerbaugebieten zu Herzen zu nehmen. Die Wut darüber ist gut, wenn sie zum Mut wird, ganz persönlich und möglichst konkret Rechenschaft darüber abzulegen, in welcher Welt wir leben wollen.
Sich zu engagieren, mit anderen darüber auszutauschen und persönlich am demokratischen Wandel mitzuwirken, schenkt Kraft und ich meine auch ein selbstbestimmteres, glücklicheres Lebensgefühl. Wenn ich als „Bienenbotschafter" unterwegs bin, begegne ich immer mehr Menschen, die ihrer Unzufriedenheit durch konstruktive, sinnstiftende Tätigkeiten Ausdruck verleihen. Das stimmt mich optimistisch, was unsere Demokratie angeht. Die Probleme führen zum Aufwachen und in die Eigenverantwortung. Der Weg raus aus der Opferhaltung setzt allerdings ein Minimum an ökonomischer Sicherheit, Bildung und Integration voraus.
Was ist der Beitrag der Aurelia Stiftung für „Unsere Demokratie"?Bienengesundheit und Artenvielfalt sind nur mit einer lebensfreundlichen Landwirtschaft zu haben. Inspiriert durch die Biene, setzen wir uns bei der Aurelia-Stiftung für einen agrarpolitischen Wandel ein, weil industrielle Agrarproduktion ein wesentlicher Faktor für den Artenverlust und den Klimawandel ist. Biodiversität ist das Immunsystem unseres Planeten und das Insektensterben ist ein negativer Katalysator für das Artensterben.
Wir erstellen Studien über diese Probleme, arbeiten als unabhängige, operativ tätige Stiftung an mustergültigen Lösungen, an Bildungsmaßnahmen und Forschungsprojekten, bzw. fördern sie. Wir versuchen schädlichen Einflüssen von Wirtschaftslobbys auf unser parlamentarisches System entgegenzuwirken. Wir setzen uns für eine sachgemäße Pestizidkontrolle ein und kämpfen dafür zurzeit auch in drei Gerichtsverfahren beim Europäischen Gerichtshof - unter anderem gegen die Zulassungsverlängerung von Glyphosat. Gemeinsam mit der KlettMINT + Software AG-Stiftung haben wir ein breit angelegtes Bildungsprojekt initiiert, in dessen Rahmen das 2019 erscheinende Sachbuch „Inspiration Biene. Reise durch Natur- und Geisteswissenschaften" sowie zahlreiche Unterrichtsmaterialien rund um das Thema „Bienen" entstanden sind.
Unsere Öffentlichkeitsarbeit dient unmittelbar den Stiftungszielen, aber auch der Finanzierung der vielfältigen Projektarbeit, denn wir verfügen nicht über Erträge aus Stiftungsvermögen.
Auf dem StiftungsTag 2019 laden Sie gemeinsam mit der GLS Treuhand und Software AG - Stiftung zu einem Vortrag über „Bienen DEMOKRATIE" mit anschließender Diskussion ein: Sind Bienen die besseren Demokraten?JA. Bei der Suche und Wahl eines neuen Nistplatzes, von dessen Erfolg das Überleben des Volkes abhängt, gibt es, wie auch sonst bei den Bienen, keinen Chef oder hierarchische Strukturen. Ausgangspunkt ist die Urteilsbildung einzelner Bienen über die Güte einer neuen Behausung, deren anschließende Tanz-Kommunikation darüber und schließlich ihr Verfahren um zügig zu einem optimalen Konsens zu finden - eine spannende Sache für jeden Unternehmer...
Allerdings sind die Motive und Ziele der Bienen genetisch verankert. Sie sind das Ergebnis einer natürlichen Evolution nicht eines bewussten Prozesses. Ein guter demokratischer Prozess erfordert zu Beginn die Entwicklung eines gemeinsamen, die Willensbildung leitenden Bildes vom Ziel. Bei meinem Vortrag möchte ich vermitteln, was wir dafür von den Bienen lernen können.