Köln-Porz. Große Bühne, Musik, ein grandios aufgelegtes Porzer Dreigestirn, eine große Schar friedlich feiernder Jecken, „un dreimol vun Hätze Porz Alaaf!" Das war eine Sause an Weiberfastnacht - im vergangenen Jahr. Der Start zum Straßenkarneval in diesem Jahr wird anders sein. Ganz anders.
Wie schon seit Beginn dieser Session in der Karnevalshochburg Köln alles anders ist. Das ist auf der linken Rheinseite genauso wie auf der rechten. Dort ticken die Uhren im Stadtbezirk Porz schon je her karnevalistisch ein wenig anders. Da hat auch die Eingemeindung der ehemaligen Stadt Porz nach Köln 1975 nichts ändern können. Das Festkomitee Kölner Karneval (FK) und das Kölner Dreigestirn sucht man hier vergebens. Hier ist man noch eigenständig. Hier gibt karnevalistisch der Festausschuss Porzer Karneval (FAS) den Ton an. Mit einem eigenen Trifolium aus Prinz, Bauer und Jungfrau - letztere wird, anders wie in Köln, auch wirklich von einer Frau dargestellt.
„Eine Absage war und ist keine Option"Nur in dieser Session, da ist eben alles anders. Da kann sogar in Porz ein Mann in der Rolle der Jungfrau stecken. Denn: In diesem Jahr gibt es ein coronakonformes Trifolium. Bei dem stecken Menschen in Ganzkörperkostümen. Wer es ist, wird seitens des FAS nicht verraten. Es spiele aber auch keine Rolle, betont FAS-Präsident Stephan Demmer. Denn die Figuren an sich hätten Symbolcharakter, stünden für Brauchtum und Tradition. Die gilt es auch in schwierigen Zeiten fortzuführen - im Rahmen des Erlaubten und immer mit Blick auf die Gesundheit. „Eine Absage war und ist keine Option."
In dieser Session wollte der FAS „grenzenlos jeck" sein. So hatten sie es vorab verkündet, als Corona noch nicht Thema war. Und nun? Kann man grenzenlos jeck sein trotz Pandemie? „Uns ist klar geworden, dass unser Motto gar nicht hätte besser ausfallen können", so FAS-Geschäftsführer Holger Harms. Grenzenlos jeck bedeute in dem Fall, dass man trotzdem versucht, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten „unser Brauchtum darstellbar, sichtbar zu machen". Harms benutzt bewusst nicht das Wort „feiern", denn darauf sei das „grenzenlos" nicht gemünzt, sondern auf die Darstellung des Brauchtums. „Die einzigen Grenzen, die uns gesetzt werden und die wir akzeptieren, die auch richtig sind, sind die des Gesetzgebers, um die Gesundheit aller zu schützen", betont Holger Harms. Es sei aber doch trotzdem so, dass man noch leben dürfe. „Wir dürfen uns im Rahmen der Möglichkeiten und unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen präsentieren." Nicht blauäugig, sondern mit innovativen Ideen.
Den Anfang hat der FAS schon im vergangenen Jahr bei der Präsentation des Porzer Dreigestirns, dem Trifolium aus Plüsch, gemacht. Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, der zu der Veranstaltung eingeladen war, hatte sich begeistert gezeigt: „Eine grandiose Idee." Auch war er sich sicher: „Das sorgt bundesweit für Aufsehen."
Doch darum ging und geht es dem FAS gar nicht. „Wir wollen so viel ,Fastelovendsgefühl' wie möglich mit den nötigen Auflagen in die Session packen", sagt FAS-Präsident Demmer. Tradition und Brauchtum wollen gelebt werden. Das geht auch mit Abstand. So wurde die Proklamation des Trifoliums live via Internetstream in die Wohnungen der Porzer Jecken gebracht. Dafür wurde der Porzer Rathaussaal in ein kleines Fernsehstudio umgebaut, eine ganze Lkw-Ladung Technik für Bild, Ton und Licht aufgebaut. Für ein Rahmenprogramm konnten die Band Klüngelköpp, Sänger Norbert Conrads und Erry Stoklosa, Urgestein und Gründungsmitglied der über die Grenzen Kölns bekannten Bläck Fööss, gewonnen werden. Und auch Guido Cantz. Der Moderator von „Verstehen Sie Spaß" ist bekennender Porzer und im Kölner Karneval als Redner aktiv. Wofür die vier Buchstaben seines Heimatbezirks stehen, damit weiß er immer wieder zu überraschen. Dieses Mal sei Porz die Abkürzung für „Proklamation ohne reele Zuschauer". Zwar gab es keine reelen Zuschauer vor Ort, dafür an den heimischen Geräten. Und am Ende die mit Abstand meistgesehene Proklamation.
„Nach der Analyse der Daten können wir sagen, dass mehr als zehnmal so viele Menschen die Proklamation 2021 gesehen haben, wie wir normalerweise Zuschauer im Saal gehabt hätten", sagt Stephan Demmer. Das Einzugsgebiet habe von Cuxhaven über Aschaffenburg bis zum Bodensee gereicht. „Damit hatte in der Form keiner gerechnet."
Präsident Stephan Demmer bei der Proklamation - Foto: René DenzerEs zeigt aber auch, dass der FAS den Kern getroffen hat. Andere Gesellschaften und Vereine, die dem Dachverband der Porzer Karnevalisten FAS angeschlossen sind, ziehen nach. Die K.G. Närrischer Laurentius hatte ihre traditionelle Veranstaltung „Blechovend" für Mitglieder ebenfalls via Stream in die Wohnzimmer gesendet. Gleiches werden sie für jedermann auch mit ihrer Sitzung machen. Viele mögen denken, wieso müssen die unbedingt jetzt diesen Karneval machen? Alles andere wurde doch auch ersatzlos gestrichen. „Weil wir damit in einer kalten und tristen Zeit Menschen einfach für einen kurzen Augenblick eine Freude bringen, von der sie lange zehren. Das ist der Grund! Menschen einfach Freude bereiten - trotz Corona!", so FAS-Geschäftsführer Holger Harms.
„So viel Fastelovendgefühl wie möglich"Das Ganze kostet natürlich auch Geld. Da ist es gut, wenn man über Rücklagen verfügt, sagt Laurentius-Präsident Ingo Hundhausen. Fixkosten für Versicherung oder Miete und Lager für die Karnevalswagen würden durch die Jahresbeiträge gedeckt. Besondere Aktionen gingen dann nur über Sponsoring.
Da zeigen sich Porzer Karnevalisten durchaus kreativ. „Ne Büggel zom fiere" - einen Beutel zum Feiern - mit Luftschlangen, Konfetti, Kölsch und was zum Beißen für den Sessionsauftakt in den eigenen vier Wänden hatten etwa die Blau-Wieße Funke Wahn an ihre Mitglieder verteilt. Bei der Gesellschaft Grön-Wieß Fidele Rezag sorgte DJ Emkay, Marvin Kurz, über das Internet mit Musik für Stimmung. Nebenbei kamen so auch 2200 Euro für die DKMS-Stiftung herum. Das Garde-Korps Köln Blau-Weiß Zündorf brachte Orden für die Mitglieder nach Hause. Die Urbacher Räuber zeigen im Netz Rückblicke aus alten Sessionen. Auf Facebook posten jecke Porzerinnen und Porzer Fotos der vergangenen Jahre im Kostüm.
Das Brauchtum lebt im Kölner Stadtteil Porz. Nur eben anders als sonst. Vorneweg das plüschige Porzer Dreigestirn. Das ist immer samstags im Bezirk unterwegs, besucht Altenheime, Kitas und andere caritative Einrichtungen. Dabei bleibt das Trifolium immer vor den Türen, im Freien. Die älteren Menschen oder Kinder schauen von Fenstern und Balkonen mit Abstand zu, freuen sich, lachen. Am Ende ist es ein Stück Normalität in diesen Zeiten, dem Virus zum Trotz: dreimol vun Hätze Poorz Alaaf.