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Legale Hausbesetzer

Durch die Zwischennutzung als Wächterhaus werden städtebaulich wichtige Häuser erhalten.

Während anderswo Wohnraum knapp ist, stehen in Leipzig rund 2500 denkmalgeschützte Gründerzeithäuser leer. Etliche sind vom Verfall bedroht. Doch es gibt Hoffnung, die historischen Bauten doch noch zu erhalten - wenn auch auf unkonventionelle Weise.

Blätternder Putz, verbarrikadierte Türen und Fenster, löchrige Dächer: Fährt man ein Stück aus dem herausgeputzten Leipziger Zentrum hinaus, sieht man immer noch viele unsanierte Häuser im „DDR-Look". Bei einem Leerstand von 35 000 Wohneinheiten finden sich für weniger gute Lagen, vor allem an lärmenden Hauptverkehrsstraßen Leipzigs, kaum Mieter. Die Folgen sind dramatisch: Auch denkmalgeschützte Häuser sind immer häufiger von Verfall und Abriss betroffen.

Um weitere Verluste an stadtbildprägenden Gebäuden aufzuhalten, hat der 2004 gegründete Verein HausHalten e.V. das Zwischennutzungsmodell der Wächterhäuser erdacht: „Leer stehende Häuser ratloser Eigentümer und engagierte, kreative Nutzer auf der Suche nach Fläche für ihre Ideen finden in ihnen zusammen", beschreibt Vereins-Mitbegründerin Katrin Weber die Idee.

Clevere Lösung für Eigentümer und Nutzer

Nutzer eines Wächterhauses können beispielsweise Künstler auf der Suche nach Atelierräumen, soziale Projekte, Vereine oder Existenzgründer sein. Über eine mit dem jeweiligen Hauseigentümer geschlossene Gestattungsvereinbarung wird ihnen das Nutzungsrecht für fünf Jahre übertragen. Die Nutzer zahlen keine Miete, dafür übernehmen sie die laufenden Betriebskosten. Der Eigentümer muss nicht, wie für reguläre Mieter, aufwändig renovieren, sondern nur die Grundinstallationen instand setzen. So profitieren beide - der Eigentümer, weil sein Haus vor weiterem Verfall gerettet wird, und die Nutzer, die ihre Idee mit geringem finanziellem Risiko verwirklichen können.

Neben dem Wächterhaus hat der Haushalten-Verein noch zwei weitere Zwischennutzungsmodelle entwickelt: die Wächterläden, bei denen leer stehende Ladengeschäfte für neue Aktivitäten wie Galerien, Vereinstreffs oder Cafés genutzt werden, sowie die Ausbauhäuser, die nicht nur eine geschäftliche, sondern auch eine Wohnnutzung erlauben.

Schutz vor Vandalismus und Plünderungen

Bevor die Hauswächter einziehen können, muss bei manchen Eigentümern allerdings erst Überzeugungsarbeit geleistet werden: „Das sind keine Hippies, die Ihnen die Wände bunt anmalen, sondern engagierte Existenzgründer, die Verantwortung für das Haus übernehmen", erklärt ihnen Katrin Weber dann. Vor allem verhindern sie Vandalismus und Plünderungen, denn in leer stehenden Häusern wurden bereits vielfach gusseiserne Ofenklappen oder Kupferleitungen gestohlen oder historische Treppengeländer abgesägt.

Dank der Hauswächter brennt wieder Licht und es wird geheizt und gelüftet, was dem Haus ebenfalls gut tut. Nicht zuletzt mag manchem Eigentümer die einvernehmliche Zwischennutzung seines Hauses lieber sein als eine mögliche „wilde" Besetzung.

Wiederbelebung verödeter Straßen

Durch die Zwischennutzung werden aber nicht nur wertvolle Gebäude vor dem weiteren Verfall bewahrt, sondern auch soziale Impulse gesetzt. Katrin Weber spricht von einer „punktuellen Entwicklung, die ausstrahlt". Kreativnetzwerke, die über die Wächterhäuser entstünden, gingen „über das Ziel des Gebäudeerhalts weit hinaus". Dies gilt insbesondere für die Wächterläden, die im Idealfall einen dem Verfall preisgegebenen Straßenzug wieder neu beleben können.

Inzwischen gibt es in Leipzig 16 Wächterhäuser, 20 Wächterläden und fünf Ausbauhäuser mit insgesamt 280 Nutzern. Bei 2500 leerstehenden Denkmalen ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein, so erfreulich jedes einzelne bewahrte und neu genutzte Gebäude auch ist. Die definitive Rettung für Leipzigs ausgedehnte Gründerzeitviertel könnte wohl nur ein massiver Zuzug neuer Bewohner bringen. Erste Anzeichen dafür sind schon da: Wegen der lebendigen Kunst- und Kreativszene kommen seit einiger Zeit immer mehr junge Leute in die Stadt. Schöne Häuser, die nur darauf warten, wieder hergerichtet zu werden, gibt es für sie noch zur Genüge.


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