Stellen Sie sich vor: Johnny Depp mit einem Schnurrbart. Lustig, oder? Nein? Und wenn der Schnurrbart links und rechts aufgezwirbelt ist? Immer noch nicht lustig? Auch nicht wenn Johnny Depp dann noch eine Vorderzahnlücke und einen gestelzten englischen Akzent hat? Wirklich kein bisschen lustig? Dann sollten Sie einen weiten Bogen um die Gaunerkomödie "Mortdecai" machen! Denn Bart, Akzent und Zahnlücke sind hier der Anfang und das Ende des Witzes.
Depp spielt den adeligen Kunsthändler Charlie Mortdecai, der sich kürzlich besagten Bröselbesen hat stehen lassen. Seine Frau Johanna (Gwyneth Paltrow) ist wenig begeistert davon. Sie bezeichnet den "Kaiser Franz Josef" als Gesichtsvagina. So sehr ekelt sie sich davor, dass jeder Versuch, ihren Mann auf den Mund zu küssen, mit einem Brechreiz endet. Der daraus resultierende Sexentzug ist noch Mortdecais geringstes Problem: Weil er Millionen von Steuern hinterzogen hat und allerlei zwielichtige Deals mit Kunstwerken auf sein Konto gehen, steigt ihm der MI5 in Gestalt des Agenten Alistair Portland (Ewan McGregor) auf die Füße: Wenn Mortdecai nicht ins Gefängnis wandern will, muss er ein gestohlenes Goya-Gemälde wiederfinden. Sein Hausdiener Jock Strapp (Paul Bettany) hilft ihm dabei.
So entspinnt sich eine Schnitzeljagd, die quer über den Erdball führt. In einem Moment sind Mortdecai und Jock in London, im nächsten rasen sie durch Moskau oder Los Angeles (Mortdecai nennt es die "fernwestlichen Kolonien"). Was sie dort jeweils suchen, erschließt sich nur dem aufmerksamsten Kinobesucher und Kennern der Romanvorlage von Kyril Bonfiglioli ("Nimm das Ding da weg!"). Alle anderen werden früher oder später erschlagen von minütlich eintreffenden neuen Plot-Points. Regisseur David Koepp ("Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt", "Premium Rush") inszeniert den Film so flott, dass man der wirren Handlung unmöglich folgen kann. Die Charaktere plappern ohne Punkt und Komma, als wäre "Mortdecai" ein Lustspiel von Oscar Wilde - nur leider sind die Dialoge nicht halb so geistreich wie geschwätzig.
Den Nebendarstellern kann man keinen Vorwurf machen: Der ewig unterschätzte Paul Bettany gibt sein Bestes als treuer Leibwächter, der sich für Mortdecai anfahren, anschießen und von Hunden anfallen lässt. Ewan McGregor und Gwyneth Paltrow sind ebenfalls mit Einsatz bei der Sache und setzen ruhige Kontrapunkte zu dem überkandidelten Treiben. Und wenn Jeff Goldblum einen überflüssigen, dreiminütigen Auftritt als gieriger Milliardär auch nur absolviert, um seinen Kontostand ein wenig aufzupeppen, so fällt er damit wenigstens nicht negativ auf.
Das wahre Problem hat einen anderen Namen: Johnny Depp. Der ist als englischer Schnösel die gröbste Fehlbesetzung, seit "Der rosarote Panther" mit Steve Martin als Inspektor Clouseau eingeschläfert wurde. (Schon damals unterlag man übrigens der irrigen Annahme, dass ein paar Haare auf der Oberlippe des Hauptdarstellers einfach zum Brüllen wären.) Depp hatte stets eine Vorliebe für exzentrische Rollen: Als Goth-Pinocchio "Edward mit den Scherenhänden" machte er sich einen Namen in Hollywood. In "Benny & Joon" überzeugte er als Charlie-Chaplin- und Buster-Keaton-Imitator. Eine Zeit lang sah man diese schrulligen Performances gern, bis Depp sie mit seinem torkelndem Auftritt als Captain Jack Sparrow in "Fluch der Karibik" auf die Spitze trieb. Seitdem hat man sich gründlich sattgesehen an den ewig gleichen Manierismen des Hollywoodstars. Ob Indianer, Vampir, verrückter Hutmacher oder schrulliger Chocolatier - Depp spielt sie alle als kauzige Spinner mit motorischer Störung. Mortdecai ist keine Ausnahme. Daran ändert auch der Schnauzer nichts.
In der synchronisierten Fassung bleibt einem wenigstens Depps englischer Akzent erspart - allerdings geht in der Übersetzung auch der Wortwitz verloren. Dann bleibt zwischen den Dialog-Gewittern nur noch verzweifelter Slapstick. Stellen Sie sich vor: Johnny Depp stürzt aus dem Fenster und taumelt mit runtergelassener Hose verwirrt durch die Gegend. Lustig? Nein? Dann ist dieser Film nicht für Sie.
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